Die Fotos sind großartig. Mehrere Aktivist:innen sind darauf zu sehen, die in der Dunkelheit ein Dreibein aufbauen, einer hängt im Klettergurt von der Spitze herunter, Flutlicht fällt von hinten auf die Szene, macht aus Menschen Scherenschnitte mit Mützen und Masken. Im Hintergrund die Kräne und Förderbänder des Kohlekraftwerks Weisweiler bei Aachen, Schaufeln groß wie Sofas mit massiven Metallzähnen. Mehrere Stunden standen sie still, blockiert von Klima-Aktivist:innen, auf Bildern und Videos festgehalten von Jannis Große, Fotojournalist.
Weil er die Aktion im Jahr 2017 fotografiert und gefilmt hat, will der Stromversorger RWE nun 2.071.484,26 Euro Schadenersatz von ihm. Das Medienmagazin "Zapp" hat vor Kurzem über seinen Fall berichtet. Große, 27 Jahre alt, sitzt da an einem Tisch gegenüber einer Journalistin und sagt: "Das ist eine Zahl, da fehlt mir ein bisschen die Vorstellungskraft."
Große ist gemeinsam mit fünf Aktivisten verklagt worden, gegen sie läuft noch ein Strafverfahren. Erst danach wird über die letztendliche Schadenersatzforderung entschieden. So lange hängt ihm diese enorme Summe – eine, die kein normaler Mensch jemals auf dem Konto hat – im Nacken. "Was passiert denn, wenn ich 2,1 Millionen Euro Schulden hab, die ja noch wachsen wegen der Zinsen?", fragt er. "Die Klage und vor allem diese Summe hat man bei jeder wichtigen Entscheidung in seinem Leben im Hinterkopf – im Beruflichen und Privaten."
Fotos auch für Öffentlich-rechtliche
Die Bilder, die er während der Blockade gemacht hat, hat Große später an verschiedene Medien verkauft, unter anderem an die taz, die Videos gingen an ein öffentlich-rechtliches Format. Ein Schwerpunkt von Großes Arbeit liegt auf Protesten, auf Demonstrationen und Aktionen von Aktivist:innen. Er berichtet über Klimaproteste, Demos gegen Nazis, den Castor-Transport auf dem Neckar vor einigen Jahren, über Geflüchtete. Immer geht es um zivilgesellschaftliches, politisches Engagement. Er hat sich vor allem auf Protest-Fotografie spezialisiert, sagt Jannis Große, weil es in diesem Themenfeld oft nur wenige Quellen gibt, die dazu berichten. Häufig sind das nur die Polizei und die Aktivist:innen selbst, Menschen also, die ihre eigenen Interessen vertreten. Unabhängig berichtet nur die Presse: Reporter:innen, Fotograf:innen, Kamerateams, die das Geschehen dokumentieren.
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