Nein, wir bashen hier Friedrich Merz (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) nicht. Das haben dankenswerterweise schon andere übernommen. Wie etwa der Autor Leo Fischer. Der fragt sich in seiner Kolumne in der "Frankfurter Rundschau": "Sind das souveräne Konservative, überlegene Staatsmänner? Oder sind das Würstchen ohne Haut?"
Erstaunlich ist in der Tat, wie beleidigt und rachsüchtig die CDU/CSU-Führung reagiert hat, mit dieser Kleinen Anfrage am 24. Februar, die sie unverhohlen mit den Protesten gegen ihren Schulterschluss mit der AfD begründet hat. Sie betrifft unter anderem die Finanzierung von Greenpeace, des BUND, der Amadeu Antonio Stiftung, von Foodwatch oder der Omas gegen rechts. Wer wie viele Tassen im Schrank hat oder, laut Merz, ein "Spinner" ist? Darüber kann man nach diesem Fragenbombardement mit mehr Grund spekulieren, als es die beiden Herren über die politische Neutralität der angegriffenen NGOs und Organisationen tun.
34 Fragen gab es allein zum Recherchezentrum "Correctiv", über 30 jeweils zum Verein "Netzwerk Recherche" und zum bundesweiten Zusammenschluss "Neue Deutsche Medienmacher". Daraus folgt: Der "seitenlange Antragsunfug" (Leo Fischer) ist nicht nur ein Angriff auf die Zivilgesellschaft, sondern auch auf kritischen, gemeinnützigen Journalismus. Und damit auch auf uns als Kontext:Wochenzeitung.
Watchdogs für die Demokratie
Die Attacke fällt in eine schwierige Zeit. Im Koalitionsvertrag der Ampel tauchte der Non-Profit-Journalismus zwar auf, sollte gar rechtssicher gemacht werden, aber faktisch passiert ist wenig. Immerhin: Grüne und SPD hatten verstanden, dass ein kriselnder Journalismus schlecht für die Demokratie ist. Wenn das Modell der gewinnorientierten Verlage schwächelt und etwa die Lokalredaktionen ausgedünnt werden, braucht es, neben den Öffentlich-Rechtlichen, als dritte Säule der Medienlandschaft den gemeinnützigen Journalismus. Der entsteht in den Nischen, aus denen sich Verlage zurückziehen: im Lokalen, im Investigativen, in der intensiven Recherche.
Wenn man den Vorstoß der CDU anschaut, scheint wenig Wissen über, dafür umso mehr Aversion gegen diese journalistischen Neugründungen im Spiel zu sein. "Ist es Zufall, dass ausgerechnet diejenigen, die sich für Demokratie, Faktenchecks, Umwelt und Nachhaltigkeit einsetzen, unter die Lupe genommen werden sollen? Dass gemeinnütziger Journalismus angegriffen wird, dessen Recherche die Aufgabe der vierten Säule der Demokratie erfüllen?", fragt der Deutsche Journalistenverband (DJV) in deutlich weniger als 551 Fragen zurück. Und auch die Deutsche Journalistenunion (DJU) stellt sich demonstrativ hinter die ins Visier genommenen Medien.
Beide Interessenvertretungen setzen sich seit Jahren für die Anerkennung des Non-Profit-Journalismus neben Verlagspresse und Öffentlich-rechtlichem Rundfunk ein. Sie wissen, wie wichtig Watchdogs für eine Demokratie sind, gerade in Zeiten von Fake News, Rechtsruck und weltweit autokratischer Tendenzen. Auch bei Kontext haben wir schon oft auf die Bedeutung vor allem in der lokalen Berichterstattung hingewiesen – hier und hier und hier. Kontext-Leser:innen wissen Bescheid. Andere womöglich nicht?
Kleine Nachhilfe in Sachen Gemeinnützigkeit
Wie eine Art Nachhilfe lesen sich da die Offenen Briefe, die Stiftungen und das Forum Gemeinnütziger Journalismus verfasst haben. "Als verlässliche Partner von Zivilgesellschaft und Politik laden wir Sie ein, mit uns in den Dialog über die notwendigen Modernisierungen des Gemeinnützigkeitsrechts und die zentrale Rolle der Zivilgesellschaft in einer funktionierenden Demokratie zu treten", formuliert die Augstein-Stiftung gemeinsam mit der Maecenata Stiftung, der Schöpflin-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung in ihrem Offenen Brief.
Bereits im Mai vergangenen Jahres hatten die Stiftungen beim Finanzministerium um eine "zeitgemäße Erweiterung entsprechend der gesellschaftlichen Bedürfnisse" geworben, zumindest um die Zwecke "Förderung des Schutzes und Durchsetzung der Grund- und Menschenrechte" und "gemeinnütziger Journalismus". Mit der Merzschen Attacke ist die Medienpolitik in Deutschland wieder zurück auf Null.
Auch das Forum Gemeinnütziger Journalismus, in dem sich neben "Correctiv", "Netzwerk Recherche" und Kontext:Wochenzeitung weitere 50 Medienprojekte zusammengeschlossen haben, hat sich für ein Gesprächsangebot an Merz und Dobrindt entschieden: "Wir betrachten gemeinnützigen Journalismus auch als eine Antwort auf die Medienkrise", so das Forum, das sich seit sechs Jahren für Rechtssicherheit des Non-Profit-Journalismus einsetzt, "gerne würden wir mit Ihnen ins Gespräch kommen". Nur so nebenbei: Auch in der (ähnlich gestrickten) Bundestagsanfrage der AfD von 2022 waren "Netzwerk Recherche", "Correctiv" und "Neue Deutsche Medienmacher" bereits im Visier.
Manchmal hilft in schlimmen Zeiten nur noch Humor. "Sich ein bisschen Heiterkeit zu erarbeiten, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, um solche Kolumnen überhaupt schreiben zu können", hält der Medienjournalist René Martens fest. Nachzulesen in seinem Beitrag "Wenn Würstchen zum Messer greifen" im "Altpapier" des MDR.
Auch kleine Trotzreaktionen können das Wohlbefinden heben: Mitglied werden bei den attackierten NGOs und gemeinnützigen Medien. Oder Geld spenden. Jetzt erst recht.
Transparenzhinweis: Susanne Stiefel ist Mitgründerin der Kontext:Wochenzeitung und Vorständin im Forum Gemeinnütziger Journalismus.
8 Kommentare verfügbar
Oktarine
vor 2 Wochen