Die 2003 verstorbene Nazi-Regisseurin, die im erst 1954 in die Kinos gekommenen "Tiefland" auch die Hauptrolle übernahm, bestritt das; ebenso, dass sie die Sinti in einem KZ persönlich ausgesucht und sie nicht bezahlt habe. Überhaupt, dass es ein KZ gewesen sei, ferner dass sie vom drohenden Schicksal der Sinti wusste, das die Nazis für sie vorgesehen hatten, auch dass viele ihrer Komparsen in Auschwitz ermordet worden seien. Riefenstahl klagte 1984 vor dem Landgericht in Freiburg gegen Gladitz und ihren Dokumentarfilm, verlor allerdings in drei von vier Punkten. Seitdem ist es erlaubt zu sagen, dass sie die Komparsen in einem KZ ausgesucht und nicht bezahlt habe. Man könne ihr jedoch nicht unterstellen, dass sie 1941 von der Vernichtung gewusst habe, da diese in Auschwitz erst später begonnen habe.
Das Gericht beanstandete eine Szene, in der die Familie Reinhardt sagt, "Tante Leni" habe die Rettung von Auschwitz versprochen. Der WDR sperrte den Film daraufhin weg, auch für Forschung und Gedenkstätten. Nina Gladitz habe diese Szene umschneiden wollen, um den Film ins Ausland zu verkaufen, sagt ehemalige WDR-Redakteurin Sabine Rollberg, die sich zeitweise mit Nina Gladitz ein Büro im WDR teilte. Doch der WDR habe ihr das Originalmaterial verweigert. Sie erhielt zudem kaum noch Aufträge im WDR.
Gladitz kämpfte bis zu ihrem Tod um ihren Film
Nina Gladitz starb im Mai 2021. Monate davor war ihre Biografie über "Leni Riefenstahl – Karriere einer Täterin" erschienen, in der sie ihre jahrelange Auseinandersetzung mit Riefenstahl beschrieb. Ein offener Brief forderte WDR-Intendant Tom Buhrow 2021 auf, die Sperre aufzuheben. Im März 2022 war der Umgang des WDR mit "Zeit des Schweigens" schließlich Thema im Rundfunkrat des Senders im Rahmen der Aussprache mit dem Intendanten.
Damals gab Buhrow die Wende bekannt, die der WDR seither in ähnlicher Form verschickt, auch auf Anfrage des Autors dieser Zeilen. Darin heißt es: "Nach einer Klage Leni Riefenstahls gegen die Filmemacherin Nina Gladitz hat das Oberlandesgericht Karlsruhe im Jahr 1987 entschieden, dass der Film 'Zeit des Schweigens und der Dunkelheit' in seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr gezeigt werden durfte. Änderungen an ihrem Film lehnte Nina Gladitz aber ab. Der Film wurde im WDR-Archiv daher – wie in solchen Fällen üblich – mit einem entsprechenden Sperrvermerk versehen."
Der offene Brief von Gerhard Beckmann wurde zum Anlass genommen, den Film erneut zu sichten und die dazu archivierten Akten eingehend zu prüfen. "Nach Abschluss der Prüfung sehen wir die Bedeutung des Films für die wissenschaftliche und gesellschaftliche Aufarbeitung der Ausgrenzung und Ermordung von Sinti und Roma während des Nationalsozialismus. Daher hat der WDR entschieden, den Film freizugeben, z.B. für ein Fachpublikum im Rahmen einer Veranstaltung. Es haben uns Anfragen von verschiedenen Veranstaltern erreicht, denen wir den Film zur Verfügung gestellt haben."
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