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Diskursverschiebung nach rechts

Apokalypse und Genderwahn

Diskursverschiebung nach rechts: Apokalypse und Genderwahn
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Welche Gemeinsamkeiten haben die superkonservative Evangelische Nachrichtenagentur "Idea" und die neurechte "Junge Freiheit"? Das zeigt sich vor allem an Autor Peter Hahne. Zwei junge evangelische Theolog:innen warnen vor rechtspopulistischem Gedankengut in christlicher Publizistik.

Früher hat Peter Hahne immer gute Laune verbreitet. Zum Beispiel, wenn er im ZDF die Nachrichten verlas. Auch die schlimmste Geschichte verpackte der Fernsehmoderator mit einem Lächeln. Hahne ist bekennender Christ. Bei Missionsveranstaltungen, evangelischen Kirchentagen oder als Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat er Gottvertrauen und Zuversicht vermittelt als eine der Galionsfiguren der konservativen evangelikalen Bewegung. Inzwischen verbreitet er Apokalypse und warnt vor dem Verfall der vom angeblichen Genderwahn bedrohten Kultur.

Vor allem als Nachrichtensprecher und Moderator von ZDF-Sendungen wie "heute", der Kindernachrichtensendung "logo!" oder der nach ihm benannten Talkshow "Peter Hahne" ist er einem breiteren Publikum bekannt. Noch heute ist er als Kolumnist bei der "Bild am Sonntag" tätig. Außerdem ist er Gastautor beim rechtspopulistischen Onlinemagazin "Tichys Einblick". Hahne wird schon lange dafür kritisiert, dass er immer weiter nach rechts gerückt ist, zum Beispiel von dem Publizisten und Literaturkritiker Denis Scheck.

Peter Hahne ist nicht wählerisch

Auch "Idea", die Nachrichtenagentur der Evangelischen Allianz, die wiederum evangelikale Christen vertritt, verbreitet Hahnes Gedankengut. "Idea" wurde 1970 gegründet als konservatives Gegengewicht zum gesellschaftspolitisch und theologisch als liberal geltenden Evangelischen Pressedienst (epd). Hahnes Gedanken finden sich genauso in Organen der Neuen Rechten, beispielsweise der "Jungen Freiheit". Rechtspopulistische Rhetorik, Kritik am Gendern und Corona-Maßnahmen gehören zu den Ingredienzien.

Der ehemalige Fernsehmann und heutige Autor ist nur ein prominentes Beispiel dafür, wie Diskurse des neurechten Populismus in den vergangenen Jahren in das konservativ-christliche Milieu einsickern konnten. Am kommenden Wochenende wird unter anderem Hahnes publizistisches Wirken auf einer Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Universität Tübingen in Stuttgart-Hohenheim diskutiert. Deutlich wird dabei, dass sich die Themen, die Hahne vorbringt, mit Veröffentlichungen der – nach eigenen Angaben "theologisch konservativen und auf der Glaubensbasis der Deutschen Evangelischen Allianz" agierenden – Nachrichtenagentur in frappierender Weise überschneiden.

Mit dabei auf der Tagung sind die beiden jungen evangelischen Theolog:innen Astrid Edel und Hans Probst von der Uni Tübingen. Ihr Thema: "Christliche Publizistik als Nährboden für die Diskursverschiebung nach rechts?" In Sachen Hahne auf jeden Fall, sind sie sich sicher. "In einem verzweigten Geflecht stehen Themen und Diskurse, die sowohl bei Hahne und damit in der 'Jungen Freiheit' beziehungsweise bei 'Tichys Einblick' Widerhall finden als auch bei 'Idea' bearbeitet werden", sagen sie im Gespräch mit Kontext. "Diese Verzweigungen wollen wir offenlegen."

"Idea" zählt mit knapp 16.000 Abonnent:innen des wöchentlichen Printmagazins, Podcasts und einem digitalen TV-Kanal zu den einflussstärksten Medien unter konservativen Christ:innen im deutschsprachigen Raum. Als thematische Zentren der laut Edel und Probst "vermeintlich neutral" auftretenden Nachrichtenagentur zählen Mission, Theologie, Bioethik und Meldungen aus evangelischen Landes- und evangelikalen Freikirchen.

"Idea" hat die "Demo für alle" vorangetrieben

Edel und Probst geht es um einen differenzierten Blick. Einen, der Mechanismen der Diskursverschiebung aufzeigen und nachvollziehen will. "Idea" agiert als Diskussionsplattform und gibt nicht nur dem populistischen Gedankengut von Hahne Raum. Auch die "Demo für alle", koordiniert von Hedwig von Beverfoerde (CDU) und Beatrix von Storch (AfD), die sich um 2015, 2018 herum mit viel Tamtam gegen sexuelle Aufklärung in Schulen einsetzte, wurde von "Idea" vorangetrieben. Erst vor wenigen Tagen hat Beverfoerde "Idea" ein Interview zum Selbstbestimmungsgesetz gegeben und behauptet, das Gesetz sei "ein Einfallstor für Pädophilie und Kindesmissbrauch". So wird die christlich-konservative Nachrichtenagentur Scharnierfunktion zum rechtspopulistischen Lager.

Der 1952 geborene Hahne publizierte als dezidiert christlicher Autor bereits mehrere Bücher: "Nicht auf unsere Kosten!" aus dem Herbst 2021 war auf der "Spiegel"-Bestsellerliste vertreten. Der Autor "entlarvt die Dummschwätzer und Blender unserer Zeit. In seinen Bestsellern 'Schluss mit euren ewigen Mogelpackungen' und 'Seid ihr noch ganz bei Trost' bringt er die dreisten Lügen aus Wirtschaft und Gesellschaft auf den Punkt und bezieht klare Haltung", schreibt der Verlag zum Buch.

In politischer Verantwortung in Staat und Kirche sei in Deutschland "ein intellektuell schwachbrüstiges Mittelmaß", in der Regierung und den Kirchenleitungen herrsche mittlerweile eine elende Schwurbelei (gemünzt ist das auf die damalige Corona-Politik). Von dort aus würden die eigentlichen Verschwörungstheorien verbreitet, sagte Hahne, als ihm im Oktober 2022 die Ehrendoktorwürde der freikirchlich orientierten Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule (STH) Basel verliehen wurde.

Vor allem das Gendern ist Hahne ein Dorn im Auge

Und weiter: "Kritiker, die diese elende Schwurbelei der Fast-Allparteien-Ideologie nicht mitmachen, die dieses geistige Wandlitz satt sind, sitzen in den modernen Gulags der Herrschenden". Es gelte "in unserem Land" nur noch "die Ideologie der Halbgebildeten", beklagt Hahne da und sieht sich von einer "queer-pazifistischen Waschlappen-Welt" umgeben. Edel und Probst betonen: "Von der Wissenschaftskritik kann Hahne nahtlos zur Diffamierung der Klima-Proteste übergehen." Fridays for Future sei demnach eine gefährlich dämonische beziehungsweise ideologisierte Klimareligion.

Hahne sieht zudem in Teilen der Kirchen ein "wohlstandsverwahrlostes Christentum" und fürchtet: "Wer heute Winnetou abschafft, schafft morgen die Bibel ab. […] Denn da stehen, nimmt man die Gründe der Karl-May-Kritiker zum Maßstab, viel, viel schlimmere Sachen drin. Schindluder wird nur mit der Bibel gemacht, an den Koran wagt sich keiner." Mit dem Verlust des Christlichen geht, fürchtet Hahne, der gesellschaftliche Niedergang einher: "Wo wir Gott loswerden, geht auch Bildung, Erziehung, Kultur und die Freiheit der Wissenschaft flöten. Wo die Wahrheit nicht mehr gesucht wird, findet man nur noch Lüge! Unsere aktuelle Lage spricht Bände!" Hahnes Rede findet nach Angaben von Edel und Probst vor allem im Kontext der Neuen Rechten Verbreitung, werde aber auch durch die Rezeption bei "Idea" "in den diskursiven Kontext einer dezidiert christlich-konservativen Nachrichtenseite gestellt", betonen die Theolog:innen.

Zentralen Raum nimmt bei Hahne der Protest gegen das Gendern ein. Hier zeigen Edel und Probst auf, wie eng die thematischen Überschneidungen zur Berichterstattung von "Idea" sind. Die Liste der anti-gender Artikel dort sei lang: sei es die Kritik der Kindeswohlgefährdung durch die Thematisierung von Transidentität in der "Sendung mit der Maus", sei es die unkritische Nachricht zur Diskriminierung von ordinierten Frauen in den USA oder der ausführliche Bericht einer "Eheshow" der Freikirche ICF München, in der antifeministische, traditionalistische Rollenbilder gefeiert werden, berichten Edel und Probst.

Thematische Überschneidungen zwischen Hahne und "Idea" sind für die beiden augenfällig, besonders bei drei Themensträngen: Anti-Gender, Verlust des Christlichen und Corona-Maßnahmen. Auffällig ist bei der Klage über den Verlust des Christlichen die massive Kritik gegenüber den Grünen: Christ:innen stünden in einem "grüne[n] Kulturkampf gegen Kreuz und Christentum", heißt es bei "Idea". Nach Einschätzung von Edel und Probst prägt vor allem die Anti-Gender-Haltung "Idea", angefangen vom omnipräsenten Thema Lebensschutz über den Widerstand gegen queere Lebensverhältnisse bis zur Verteidigung traditioneller Rollenbilder. In einem Kommentar vom August 2022 heißt es: "Die Regenbogenfahne (…) ist eben kein Zeichen für Vielfalt und Toleranz, sondern im Kern ein Symbol für Männersex. (...) Was soll die zur Staatsdoktrin erhobene Huldigung dieser 'vielfältigen Liebesweisen'? Das ist so, als würde man den Exhibitionisten, der einst hinter Parkbüschen lauerte, direkt in den Kindergarten einladen."

Grenzen nach rechtsaußen werden eingeebnet

Nach der Beobachtung der Theolog:innen ähnelt die Haltung von "Idea" bei einigen Themen der Position von Peter Hahne. Dagegen findet sich bei den Artikeln zu den Corona-Maßnahmen ein anderer Stil und es finden sich auch Meldungen, in denen beispielsweise die Impfungen positiv hervorgehoben werden. Im Gegensatz zu Hahne wird die Kirche nicht pauschal-diffamierend oder gar dämonisierend diskreditiert, sondern themenbezogen kritisiert.

Edel und Probst stellen vor dem Hintergrund ihrer Forschung eine Normalisierung von extrem rechten Positionen innerhalb der evangelikalen Publizistik fest: AfD-Vertreter:innen stehen da ganz selbstverständlich neben Vertreter:innen der CDU. "Grenzziehungen zu rechter Rhetorik werden in Texten von 'Idea' eingeebnet", sagen sie. Deshalb sehen die beiden als dringende Aufgabe einer evangelikalen Theologie einen deutlichen Abgrenzungskurs zur extremen Rechten

Bei Peter Hahne ist die gott- und glaubenslose Welt derweil ganz akut im Niedergang begriffen: Theologisch gesprochen sieht er den Antichristen bereits am Werk. Das Jüngste Gericht, es steht kurz bevor.


Infos zur Tagung "Diskursverschiebung nach rechts? Medien, Netzwerke, Narrative" gibt es hier.


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1 Kommentar verfügbar

  • Ralf K
    am 27.12.2023
    Antworten
    Schaden, dass hier in erster Linie schon das Verhandeln bestimmter Themen als kritikwürdig / verdächtig beschrieben wird. Wie selbstgefällig und schwach in der Argumentation Hahnes Schriften tatsächlich sind (und wie vielsagend es ist, dass viele seiner Fans ihn trotzdem für den "seriösen,…
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