Sitzt ein Ehepaar am Frühstückstisch und überlegt sich, was es mit dem Koppelwort, das man nicht schreiben darf, auf sich hat. Es soll irgendwas mit Geschlechtsteil, Bindestrich und Beruf zu tun haben. "Schnäbberle-Schutzmann", "Knüppel-Cop", "Wedel-Wachtmeister" rätseln die beiden und bleiben sehr unbefriedigt zurück. Niemand erklärt ihnen das Mysterium des Unworts, seitdem der Alliterierte, der Polizist Andreas Renner, juristisch dagegen vorgegangen ist. "Die Tücken des Gemächts" steht über der Glosse, hier ist sie nachzulesen.
Ausgedacht hat sich die Szene der Kollege Peter Schwarz von der "Waiblinger Kreiszeitung". Er ist ein guter Journalist: Ihm liegt daran, Ross und Reiter zu nennen, gerade in diesem Dunkelfeld, das dringend Licht benötigt. Was man im Zusammenhang mit dem Polizeiskandal noch sagen und erfahren dürfe, sei doch von durchaus öffentlichem Interesse, schreibt er. Es könne nicht sein, dass man sich da offenbar "nur noch in Andeutungen" ergehen dürfe. Journalismus als eine Mischung aus Satire und Sarkasmus – das ist zumindest eine neue Stilform. Seit dem Hamburger Urteil, das Kontext untersagt, das Bindestrichwort zu benutzen, ist es aber so: Würde der Kollege Schwarz das "böse Koppelwort" verwenden, drohte ihm sofort eine teure einstweilige Verfügung.
Die Folgen sind schwerwiegend. In den Redaktionen wird der Fall nur noch mit spitzen Fingern angefasst, die Scheren im Kopf klappern, die Sorge, vor Gericht zu landen, ist groß. Das kostet Geld, Nerven und Zeit. Und genau das ist es, was die Kläger:innen wollen, vertreten von Jurist:innen, die wissen, wo's weh tut. Renners Anwältin, Stephanie Vendt, zählt den Fußballprofi Jérôme Boateng zu ihren Mandanten. Seit ihrer gerichtlich abgesegneten Unterlassungsforderung sind Kontext-Geschichten, ihren Mandanten betreffend, übersät mit X-en und erinnern eher an Stacheldraht als an einen Zeitungsartikel.
Die grüne Polizei zeigt sich schockiert und handelt
Das ist auch der Polizei nicht verborgen geblieben – zumindest der kritischen Seite. Eine freie Presse sei ein "unerlässlicher Garant" für das Funktionieren unserer Demokratie, schreibt uns Armin Bohnert, der Bundesvorsitzende des Vereins "PolizeiGrün", und kritisiert eine gerichtlich eingeschränkte Berichterstattung. Konkret wird sein Landesvorsitzender Frank-Ulrich Seemann, der sich "zutiefst schockiert" zeigt um die Vorgänge rund um Renner. Eine diskriminierungsfreie Polizei habe Beschäftigte vor sexueller Belästigung zu schützen, betont er, und beklagt einen "Vertrauensverlust" inner- und außerhalb der Ordnungshüter:innen. Seemann belässt es dabei nicht bei Worten. "PolizeiGrün" habe beschlossen, eine Solidaritätsspende an die Kontext-Redaktion zu überweisen, teilt er uns mit.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!