Die Kontrahenten: 16 Verlage gegen den SWR, Teil des derzeit von Skandalen gebeutelten Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (ÖRR). Das Verhältnis generell: Durchwachsen. Die einen gut finanziert durch Rundfunkgelder bis hin zu Massagesesseln (Schlesinger), die anderen einst am oberen Ende der Verdienstskala, heute ausgeblutet und darauf bedacht, die letzten eigenen Pfründe zu verteidigen. Vor allem die Zielgruppe "Jugend", die klassische Verlage mittlerweile eher weniger bis gar nicht mehr erreichen.
Den Vorwurf der Verlage hat Boris Rosenkranz vom Medienportal "Übermedien" in einem lesenswerten Text zum "Newszone"-Streit kurz und gut zusammengefasst: "Was der SWR da mit 'Newszone' mache, sei eigentlich das Kerngeschäft der privaten Verlage, und auf diesem Markt dürfe der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mitmischen."
Zu viel Text missfällt Verlegern
Denn: Im Medienstaatsvertrag ist geregelt, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter im Schwerpunkt nur Bewegtbild, also Video, oder Ton anbieten dürfen. Zulässig zur Umrahmung ist ein bisschen aber nicht zu viel Text. Außer, der Beitrag berührt ein Thema mit "Sendungsbezug", das also schon vorher im linearen Programm in Radio oder Fernsehen gelaufen ist oder noch laufen wird, worauf dann auch in der App hinzuweisen ist. Beiträge, die mehr Text als Video oder Audio enthalten, sind "presseähnlich", also Sache privater Zeitungsverlage. Heißt genauer: Wenn "Das Ding" im Radio einen Beitrag hatte über Pietro Lombardi, darf die Redaktion von "Newszone" theoretisch einen Text dazu veröffentlichen, zusammengestellt aus Quellen des bereits gesendeten Materials. Hat es das nicht, was in Sachen Dauerstreit Pietro und Sarah kein Verlust wäre, muss im Beitrag trotzdem überwiegend Audio oder Video eingebunden oder verlinkt werden, beispielsweise Social-Media-Inhalte wie geschehen, damit geschriebene Buchstaben nicht überhand gewinnen.
Der Streit darum, was Öffentlich-Rechtliche im Netz dürfen oder nicht, begann 2009. Damals war der Springer Verlag gerade dabei, kostenpflichtige Apps zu eigenen Angeboten in den App-Stores zu platzieren, als die "Tagesschau" eine App anbot, um die Inhalte von "tagesschau.de" für damals noch neue Smartphones und Tablets attraktiv zu machen. Auch noch gratis, weil über die Rundfunkgebühr finanziert. Damals klagten acht Verlage gegen diese App – sie sei zu textlastig ("presseähnlich") und verzerre, weil kostenlos, den Wettbewerb. Die Verlage bekamen nach jahrelangem Streit teilweise Recht und seitdem wird immer wieder auch vor Gerichten darum gestritten, welche öffentlich-rechtlichen Angebote nun "presseähnlich" sein und damit der vor allem online schwindenden Marktmacht der Pressekonzerne in die Quere kommen könnten.
2018 hatten Verleger, also der BDZV (Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger unter Mathias Döpfner von Springer), Politiker und Vertreter der Öffentlich-Rechtlichen bei einer Pressekonferenz zum neuen Telemedienstaatsvertrag noch einen Einigung verkündet, um sich nicht dauernd vor Gericht um redaktionelle Online-Angebote streiten zu müssen. Medien-Journalist Stefan Niggemeier bilanzierte damals: "Wenn eine Internetseite aussieht wie die Internetseite einer Zeitung, sich anfühlt wie die Internetseite einer Zeitung und funktioniert wie die Internetseite einer Zeitung, ist sie wahrscheinlich presseähnlich. Die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender müssen sich in Zukunft eindeutig anfühlen wie die Online-Angebote von Radio- oder Fernsehsendern."
Anachronistisch nennt er "die ganze Idee, dass im Zeitalter von Multimedia und Konvergenz der Online-Auftritt eines Fernsehsenders drastisch anders aussehen muss als der einer Zeitung". Und weiter: "Dass die Verleger sich mit dem überaus analogen Begriff der 'Presse' behelfen müssen, um eine gewisse Textlastigkeit zu beschreiben, ist bezeichnend." Bemerkenswert auch, schreibt der Medien-Experte, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk künftig an ein Regelwerk halten soll, das private Verlage bestimmen. Die im Internet übrigens machen können, was sie wollen, so sie Ideen dafür haben, siehe beispielsweise "Bild TV".
Heitere Verhandlung ohne Ahnung von der Jugend
Im Falle von "Newszone" bezieht sich die Verleger-Klage auf die App-Version vom April 2022, da hätten 87 Prozent des Angebots keinen Sendungsbezug gehabt. Die App in dieser Form gibt es allerdings schon nicht mehr, war eine Pilotversion, sagt der SWR. 260 Beiträge seien im Sinne einer Einigung schon rausgenommen worden, die App habe sich weiterentwickelt, mehr könne man nicht anbieten.
In Stuttgart zur mündlichen Verhandlung am Landgericht, die erste fand in Freiburg statt, wollen die Verleger ein Grundsatzurteil. Auf der einen Seite sitzt der Anwalt des SWR, auf der anderen der für den Badischen Verlag, mit dabei auch Vertreter der Südwestdeutschen Medien Holding/"Stuttgarter Zeitung", die beteiligt sind an der Klage. Es geht um Unterlassung, die App soll am besten weg.
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Philipp Horn
am 27.09.2022