Fast schon unheimlich, wie präsent Olaf Scholz dieser Tage in den Medien ist. Vor allem im Internetportal deutschland.de, auf dessen Startseite der SPD-Kanzler nach seinem Besuch in der Ukraine in der vergangenen Woche regelrecht inflationär prangte. Mal solo in Großaufnahme, mal gemeinsam mit anderen Staatenlenkern wie etwa Frankreichs Präsident Macron. Beide machten sich dafür stark, dass das überfallene Land Beitrittskandidat für die Europäische Union wird, erläuterte der Bildtext. Etwas weiter unten sah man Genosse Kanzler gutgelaunt im Sonderzug nach Kiew, diesmal neben Macron auch mit Italiens Regierungschef Mario Draghi an seiner Seite. Im "Ticker: Solidarität mit der Ukraine" schüttelte Scholz dem gastgebenden Präsidenten die Hand. "Selenskyj spricht von 'historischem Tag'", ist hier zu lesen.
Olaf über alles – was wie ein Werbeportal der SPD aussieht, um Zweifel an einer mangelnden Unterstützung der Ukraine durch den "Zauder-Kanzler" auszuräumen, ist in Wirklichkeit – ja, was eigentlich? Ist deutschland.de ein hippes Info-Portal, wie der Claim "Euer Link zu Deutschland. Infos, Service, Dialog – so tickt Deutschland" auf der Startseite versucht glauben zu machen? Bestückt von einer unabhängigen Redaktion? Auf den ersten Blick lässt sich das mit Berichten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft, Wissen und Umwelt beladene Portal nicht von Zeitungswebsites unterscheiden. Bei genauem Hinsehen fällt jedoch auf, dass Storys und News fast nur die Regierungssicht transportieren. Andere Meinungen - etwa von der Opposition im Bundestag oder aus der Zivilgesellschaft - sucht man vergeblich. Kritik findet erst recht nicht statt, dafür umso mehr Schönfärberei, versteckt hinter flotter Aufmachung. Der Verdacht liegt nahe, dass deutschland.de als Propaganda-Tool der Regierung fungiert.
"Propaganda ist der Versuch der gezielten Beeinflussung des Denkens, Handelns und Fühlens von Menschen", heißt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Charakteristisch sei, dass sie verschiedene Seiten einer Thematik nicht darlegt und Meinung und Information vermischt. "Wer Propaganda betreibt, möchte nicht diskutieren und mit Argumenten überzeugen, sondern mit allen Tricks die Emotionen und das Verhalten der Menschen beeinflussen", erläutert die BpB. Auf deutschland.de trifft dies größtenteils zu. Der große Unterschied zur journalistischen Information bestehe laut BpB darin, dass "Journalisten Aufklärung betreiben, indem sie alle verfügbaren Fakten und Hintergründe darlegen und die Menschen selbst entscheiden lassen, was richtig und was falsch ist".
Das Auswärtige Amt mischt mit
Im Übrigen: Nur wer Propaganda als solche erkennt, kann sich dagegen wehren, betont die Bundeszentrale. Hilfreich ist zu wissen, wer Texte und Bilder verfasst und publiziert. Bei deutschland.de müssen sich User hierfür bis zum Impressum durchklicken. Um Ungefähres zu erfahren. Demnach ist das Deutschland-Portal ein "Service der Fazit Communication GmbH, Frankfurt am Main". In der Gesellschaft bündelten "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die Mediengruppe Frankfurt im Jahr 2017 ihr Corporate Publishing Geschäft zu einer nach eigenen Angaben "führenden Kommunikationsagentur für Unternehmen, Institutionen, Stiftungen und Verbände".
"Mit Kompetenz, Kreativität und Nachhaltigkeit" realisiere man rund 50 anspruchsvolle Einzelprojekte in den Bereichen Wirtschaft und Politik, Kultur und Gesellschaft sowie Wissenschaft und Bildung. Zum "namhaften Kundenportfolio" zählen unter anderem das Auswärtige Amt, die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), das Fremdenverkehrsamt der Dominikanischen Republik und die Hochschule Sankt Gallen. Dabei nutze man das komplette Medienspektrum von Büchern und Magazinen bis zu Websites, Apps und Social Media.
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Nik
am 23.06.2022