Erst recht im Netz. Unvorstellbare 44 Millionen Menschen hat der Hashtag Schorndorf weltweit erreicht. Auch im Rathaus wird aufgearbeitet. Mit einem Monitoring-Tool, das "sehr genau genaue Analysen" liefere, so Nicole Amolsch, die Leiterin des OB-Büros, sind bereits einige Details zu Tage gefördert worden. Klopfers eigene Facebook-Seite haben in den aufgeregten Stunden nach der ersten Pressemitteilung 130 000 Menschen gelesen, eine relativierende Mitteilung aus seiner – digitalen – Feder nahmen 160 000 User zur Kenntnis. 75 Prozent der Hashtag-Nutzer sind männlich, 81 Prozent der Tweets kamen aus Deutschland. Reagiert haben sogar Amerikaner. Tuscaloosa ist eine der sieben Partnerstädte der Remstäler. Derzeit sind Austauschschüler und -schülerinnen von dort zu Gast in Schorndorf. Keine 24 Stunden, nachdem die verhängnisvolle Polizeipressemitteilung das Licht der Welt erblickt hatte, meldeten sich besorgte Eltern aus Arizona mit der Frage, ob und wie sie ihre Kinder zurückholen sollten.
Schorndorf wird nur noch von Donald Trump geschlagen
Schorndorf zog immer weitere Kreise, wurde weltweit nur noch von Donald Trump geschlagen. Und dann bemächtigten sich auch noch Rechtsnationale, allen voran die AfD-Landtagsfraktion, der falschen Zahlen und zogen ihre Schlüsse – nach bekanntem Muster. Der Journalismusforscher Gerrit von Nordheim hat rund um die Amoktat im Münchener Olympiazentrum vor einem Jahr 80 000 Tweets ausgewertet und fand zwei "in sich geschlossene, parallele Deutungswelten". Während in der einen noch über Täter und Tat debattiert wurde, haben die Rechten und die Radikalen in ihrer Welt schon Medien und Politik als Verantwortliche ausgemacht. Nordheim zitiert im Interview mit der "Zeit" typische Einträge: "Der feuchte Traum der linksgrünen Blase ist geplatzt." Oder: "Danke an die SPD für die doppelte Staatsbürgerschaft." Oder jener mit der größten Reichweite: "Deutschland im Visier des islamistischen Terrors! Nun muss das deutsche Volk für die Fehler der Regierung Merkel bluten!"
Die Tonlage auf der Facebook-Seite des Aalener Polizeipräsidiums haben ähnliches Niveau. Für gewöhnlich wird hier eher munter getwittert und gepostet: Symbolbilder zu Kuriositäten ("Bestohlene Autofahrerin entdeckt schlagenden Dieb"), Hinweise, Tipps, Zeugenaufrufe. Am 19. Juli präsentiert das für Schorndorf zuständige Präsidium mit den Hinweisen "Bitte Teilen" und "Eilmeldung" und "Wichtige Mitteilung Ihrer Polizei" dagegen die Korrektur der ersten Darstellung. An den insgesamt mehr als 400 Kommentaren und den Kommentaren zu den Kommentaren seit dem 16. Juli kann das aber nichts mehr ändern: "Nur noch die AFD wird gewählt! Wir haben die Schnauze voll von dem Pack." Oder: "Danke für das deutliche Benennen und das Beschreiben der Täter. An sich eine absolute Selbstverständlichkeit, aber für linke Medien und Politiker hier trotz allem nach wie vor ein gefährliches Tabu. Da ist die Polizei denen ja meilenweit voraus." Oder: "Wetten, dass davon wieder nix in der Zeitung steht oder in den Nachrichten kommt." Oder, in missglückter Rechtschreibung: "Knüppel raus und drauf und ab in den Knast ohne wieder Rede."
Eine zahlenmäßige Benennung ist einfach schwierig
Nur aus Reaktionen wird deutlich, dass Einträge gelöscht sind. Auf die Frage, warum eigentlich der Text "über Nacht" geändert worden sei, mischt sich die Polizei in die Debatte ein, abermals mit einer dehnbaren Erläuterung: "Wir hatten ursprünglich geschrieben 'ein großer Teil'. Nachdem dies aber falsch interpretiert wurde und von vielen 'ein Großteil' daraus gemacht wurde, haben wir den Eintrag geändert. Eine zahlenmäßig genaue Benennung ist nur schwer möglich." Darüber hinaus halten sich die Social-Media-Verantwortlichen weitgehend zurück. Selbst aus der munteren Debatte darüber, dass Beamte im Einsatz das Recht bekommen sollten, auf jeden Angreifer sofort zu schießen.
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Andrea H.
am 26.07.2017