Oktober 2001, ein Reihenhäuschen in Bremen, eine Familie, bei der alles in routinierten Bahnen zu laufen scheint. Der Vater arbeitet Schicht bei Mercedes, die beiden jüngeren Kinder gehen zur Schule, der älteste Sohn, 19 Jahre alt, liegt noch im Bett und braucht Anschubhilfe. "Steh auf, oder ich schneid dir deinen Bart ab!", droht die Mutter. Später steht sie am Bügelbrett, das Handy klingelt, der Sohn ist dran, sie wirkt ein bisschen konsterniert und sagt: "Nein, komm nach Hause!" Aber dieser Sohn kommt nicht nach Hause. Er heißt Murat Kurnaz, wird in Pakistan inhaftiert und landet, ohne dass es je zu einer Anklage käme, in Guantanamo.
Der Fall ist bekannt, er ging durch die Medien. Murat Kurnaz selbst hat 2007 das Buch "Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantanamo" geschrieben. John Le Carrés 2008 erschienener Roman "Marionetten" wurde unter anderem inspiriert durch Gespräche, die der Autor mit Kurnaz führte. Der Regisseur Stefan Schaller hat 2013 als Abschlussarbeit an der Ludwigsburger Filmakademie den Spielfilm "Fünf Jahre Leben" gedreht, er zeigt die Häftlingskäfige und schildert die Verhöre, die Demütigungen, die Folter. Inzwischen aber ist der Fall Kurnaz, an dem neben den US-Geheimdiensten auch der BND beteiligt war, aus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerutscht.
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bedellus
am 27.04.2022