Eine einfache Geschichte: Der Kalligraph und Drucker Rahim Soltani (Amir Jadidi), ein freundlich-zurückhaltender Mann um die vierzig, hat sich Geld geliehen für sein Geschäft, konnte es nicht zurückzahlen, wurde verklagt und kam ins Gefängnis. Bei einem kurzen Hafturlaub findet er eine Handtasche mit Goldstücken, er könnte damit einen Teil seiner Schulden zurückzahlen und käme wohl früher frei. Stattdessen meldet er den Fund, seine gute Tat wird von den Medien verbreitet, Rahim zum Helden erklärt. Ja, so könnte man das erzählen, so ergäbe das die erbauliche Geschichte einer guten Tat und einer Läuterung, mit einem rundum befriedigenden Ausgang für Rahim und natürlich auch für uns, das Kinopublikum.
Der Film "A Hero" aber heißt im Nebentitel "Die verlorene Ehre des Herrn Soltani", und geschrieben und inszeniert wurde er von Asghar Farhadi, der schon in preisgekrönten Werken wie "Nader und Simin" (2011) oder "The Salesman" (2016) gezeigt hat, wie scheinbar Klares immer komplexer wird. Ja, es geht um moralische Entscheidungen. Aber die sind nicht nur individuell zu treffen, sind also nicht nur Charaktersache, sondern werden beeinflusst durch ökonomische, soziale und politische Faktoren. Im Werk dieses brillanten Regisseurs werden die Protagonisten selten durch Großaufnahmen ihrer Gesichter hervorgehoben, also vereinzelt und separiert, sie bleiben auch visuell eingebettet in ihr Umfeld.
Von privaten Verstrickungen zum Portrait eines Landes
Eine komplexe Geschichte: Rahim hat die Handtasche gar nicht selber gefunden. Es war Farkhondeh (Sahar Goldoust), von der aber niemand wissen darf. Er möchte sie zwar heiraten, aber es geht noch nicht, er ist geschieden, er kann sie nur heimlich treffen. Als sie ihm ihren Fund anvertraut, ist er auch nicht sofort entschlossen, ihn zurückzugeben. Er lässt ihn beim Juwelier begutachten und weiß nun, dass der Erlös nicht ganz reichen würde, um sich freizukaufen. Ist Rahim also das Gegenteil eines Helden, nämlich ein nur auf seinen Vorteil bedachter Kerl, der sich zum ehrlichen Finder hochschwindelt? Auch das wäre zu einfach gedacht. Dass sein Fall von den Medien und den sozialen Netzwerken aufgegriffen wird, hat zum Beispiel auch mit der Gefängnisleitung zu tun, die sich selber ins rechte Licht rücken will.
"A Hero" spielt übrigens nicht in Teheran, sondern in der südlicher gelegenen Stadt Shiraz, aus der Saadi und Hafis stammen, die beiden berühmtesten persischen Dichter. Die ersten Szenen des Films verweisen auch darauf, ohne dies zu verbalisieren, dass die Geschichte dieses Landes mehr ist als die Geschichte der islamischen Republik. Rahim läuft an den riesigen Reliefs der Felswand von Naqsch-e Rostam entlang, in welche die Gräber persischer Könige wie Dareios oder Xerxes eingelassen sind. Er kümmert sich allerdings nicht um das steinern-heroische Erbe, sondern sucht seinen Schwager auf, der dort mit Restaurierungsarbeiten beschäftigt ist. Kann dieser Schwager, der schon Rahims leicht behinderten Sohn in seine Familie aufgenommen hat, ihm noch einmal helfen?
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