Alle Blumen kaserniert im Glashaus, alle sauber ausgerichtet in Reih und Glied, alle wie angetreten zur Inspektion. Die Botanikerin Alice (Emily Beecham) hat ihre genmanipulierten Zöglinge im Griff, der Schritt an die Öffentlichkeit und zur Vermarktung steht unmittelbar bevor. Denn dies sollen, so sagt der mit eigenen Versuchen gescheiterte Laborleiter, stimmungsaufhellende "Glückspflanzen" sein, deren Pollen wie Antidepressiva wirken. Damit nichts ohne Aufsicht passiert, hat Alice ihre Blumen so gezüchtet respektive generiert, dass sie steril bleiben, sich also nicht selbstständig fortpflanzen können. Aber das hat vor 27 Jahren ja auch schon der "Jurassic Park"-DNA-Manipulator mit seinen Dinosauriern versucht. Damals fiel der genreprägende Satz: "Nature finds its way!"
Auf den ersten Blick hat Jessica Hausners "Little Joe" zwar nicht viel zu tun mit Steven Spielbergs fulminantem Action-Thriller: Was sind schon ein paar Blümelein gegen eine Horde von Raptoren oder einen ausgewachsenen Tyrannosaurus Rex? Aber die Regisseurin von Arthouse-Filmen wie der ambivalenten Pilgergeschichte "Lourdes" (2010) oder dem Drama "Amour Fou" (2015), das einen ganz eigenen Blick auf das fatale Ende des Heinrich von Kleist und seiner Geliebten wirft, diese Regisseurin hat in ihrem Film "Hotel" (2006) schon mal das Horror-Genre benutzt, um auf subtile Weise eine Geschichte von Einsamkeit und Entfremdung zu erzählen.
Es sind diese Themen, die auch Hausners neuen und erstmals in englischer Sprache gedrehten Film mitprägen. Denn Alice geht ganz auf in ihrem Blumenland, also in ihrer Arbeit, die sie im aseptisch-lindgrünen Mantel verrichtet, sie versagt aber im …, nein, besser so: sie versagt sich ein Privatleben. Eine geschiedene Frau, die sich den Avancen ihres Kollegen (Ben Whishaw) entzieht, die mit ihrem 13-jährigen Jungen Joe (Kit Connor), der ihr vergeblich einen Mann zu vermitteln versucht, in einer karg ausgestatteten Wohnung lebt und zum Essen eine Fast-Food-Tüte auf den Tisch stellt. Wenn irgendetwas anders läuft, als gedacht, wenn sie gar mit Vorwürfen konfrontiert wird, dann sagt sie: "Ich kann ja nicht alles kontrollieren." Aber sie würde es schon gern tun.
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