"Mia Hesse-Bernoulli hat Hermann Hesse den Rücken freigehalten. Sie hat ihm das Fundament gegeben, hat ein schönes Haus gebaut und weitgehend bezahlt", sagt Eva Eberwein. Sie ist die aktuelle Besitzerin des Hauses, das der Basler Architekt Hans Hindermann einst im Reformstil in Gaienhofen "im Erlenloh" am Bodensee errichtet hat. Dort hatten 1907 Hermann und Mia Hesse-Bernoulli, von allen Mia genannt, ein großes Grundstück erworben. Der Hausbau kostete 30 000 Reichsmark, davon steuerten Maria Bernoullis Eltern 20 000 Reichsmark bei.
Hindermann, der mit der Familie Bernoulli in Basel befreundet war, setzte die Ideen des Paares um: Licht und Luft sollten im Haus herrschen. Der Erker zum Garten wurde eingeplant, damit Mia, die Fotografin, die vor der Heirat gemeinsam mit ihrer Schwester ein Atelier in ihrer Heimatstadt betrieben hatte, dort ebenfalls eines hätte einrichten können. Ihre Kamera nahm sie mit nach Gaienhofen.
"'Das Zimmer der Frau', so, wie es im alten Hausplan eingezeichnet und benannt ist, ist ein wunderschöner Raum mit liebevollen Details, sehr schönen Fenstern", sagt Eva Eberwein."Und so wuchs meine Neugier auf die Frau, die in Basel Fotografin mit eigenem Atelier war und offenbar derart gut mit Farben, Formen und Proportionen umzugehen wusste."
Böse Gerüchte
2004 begannen ihre Recherchen, und sie stellte zu ihrem Erstaunen fest, dass es nahezu keine Informationen über diese Frau gab. Erst 2015 fand in der Ostschweizer Stadt St. Gallen eine Sonderausstellung zur Fotografin Mia Hesse-Bernoulli statt. Eberwein erfuhr einiges, das sie zum Teil verstörte: "Gerüchte wie, Mia sei schizophren gewesen, in einer Irrenanstalt gestorben, kursierten bei meinen Besuchern. Das weckte meinen Forscherdrang, und ich begab mich auf die Suche."
Fündig wurde sie unter anderem im Hermann-Hesse-Editionsarchiv des Suhrkamp-Verlags, wo bis dahin unbeachtet ein Karton mit Briefen von Mia Hesse an ihren Mann lag. Volker Michels, der Besitzer eines privaten Hesse-Editionsarchivs und Herausgeber der ersten Hesse-Gesamtausgabe, stellte ihr die Briefe zur Verfügung. Dieser Tage erschien im Suhrkamp-Verlag in Berlin zudem ein neues Buch zu Hermann Hesse: "'Mit dem Vertrauen, daß wir einander nicht verloren gehen können' – Briefwechsel mit seinen Söhnen Bruno und Heiner". Herausgegeben von Michael Limberg in Zusammenarbeit mit Silver und Simon Hesse.
Dass Mia Hesse-Bernoulli Zeit ihres Lebens im Schatten des berühmten Ehemanns und Literaturnobelpreisträgers stand, findet Eberwein ungerechtfertigt: "Mia Hesse war nicht nur eine äußerst lebenskluge, couragierte und unabhängige Persönlichkeit, sondern machte auch als Fotografin Karriere." Die Geschichte begann so: 1902 lernte Mia Bernoulli bei einem Atelierfest den um neun Jahre jüngeren Hermann Hesse kennen. Der angehende Dichter arbeitete seit 1899 in der Reich’schen Buchhandlung und dann im Antiquariat Wattenwyl.
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