In Konstanz kann man gerade beobachten, dass auch im Kopf eines 50-Jährigen manchmal ein Dreijähriger stecken kann. Dieser Kopf gehört zu Andreas Osner (SPD), seit 2013 Sozial- und Kulturbürgermeister der Stadt. In seinem inzwischen zum Dauerzwist geratenen Verhältnis zum Theater-Intendanten Christoph Nix suchte der studierte Volkswirt offenbar verzweifelt nach irgendwas Handfestem, was er dem streitlustigen Intendanten entgegen setzen könnte. Die Idee dazu geriet abenteuerlich: Der Kulturbürgermeister beauftragte eine auf Krisenkommunikation spezialisierte Agentur mit der Frage, ob aus der Berichterstattung um die viel diskutierte Hakenkreuz-Aktion zur Inszenierung "Mein Kampf" von Serdar Somuncu im April diesen Jahres "ein Reputationsschaden" für Stadt oder Stadttheater entstanden seien (Kontext berichtete). Dass ein Kulturbürgermeister sein Stadttheater in dieser Hinsicht überprüfen lässt, dürfte seit 1945 deutschlandweit einzigartig sein.
Osner lässt zählen bis die Zahlen stimmen
Es passierte, was passieren musste: Die Geschichte wurde öffentlich. Und der Bürgermeister steht jetzt ziemlich dumm da. Denn: Die Ergebnisse seiner Analyse sind dünn. 1199 Beiträge rund um die Inszenierung haben die Gutachter gezählt. In 13 davon gebe es "eine direkte negative Zuweisung für die Stadt Konstanz", heißt es in dem Bericht. 13 von 1199 - das ist etwa ein Prozent. Das wäre eigentlich der Punkt gewesen, an dem man die Untersuchung abbricht und das ganze Theater ums Theater für erledigt erklärt. Nicht so in Konstanz. Hier ließ Bürgermeister Osner weiter sammeln und zählen. Die Gutachter sollten sich stärker auf einen möglichen Reputationsschaden konkret beim Theater umsehen. Also zählten sie weiter und fanden 343 Beiträge, in denen die Aktion des Stadttheaters negativ bewertet wurde. Die Schlussfolgerung daraus für die Gutachter: "Damit kann die Reputation des Stadttheaters als dauerhaft beschädigt gelten." Was das nun bedeutet, wird nicht weiter erläutert.
Der Preis dafür jedoch ist klar: 17.572 Euro. So viel hat diese gesamte "Medienanalyse" gekostet. Nicht nur die Kosten sowie die wenig aussagekräftigen Ergebnisse, sondern auch die Art und Weise, wie der Auftrag vergeben wurde, macht die Sache für den Bürgermeister nun ungemütlich. Intern ist er gewarnt worden vor den möglichen Folgen. Sowohl Kulturamt als auch Pressestelle rieten davon ab. Osner ignorierte das. Rückendeckung hielt er offenbar nicht für notwendig. Eine Absprache mit Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) in der Sache hat es ebenfalls nicht gegeben.
Praktisch: Das Sozialamt hat noch Geld übrig
Besonders pikant an der Sache ist allerdings, mit welchen Mitteln der Bürgermeister das methodisch fragwürdige Gutachten bezahlen ließ: Die Gelder stammen aus dem Budget des Sozial- und Jugendamts, wie Osner in der Sondersitzung des Kulturausschusses am Dienstagnachmittag (18. September) einräumen musste. Wohl auch, weil im Budget der Kultureinrichtungen nichts mehr zu holen war. Dort hatte Osner zunächst nachgefragt. Stattdessen wurden die knapp 18.000 Euro aus unerwarteten Mehreinnahmen des Sozialamts entnommen. Das sei zwar mit dem Amtsleiter abgesprochen gewesen, erklärte der Bürgermeister. Aber trotzdem bleibt das der für Osner wohl heikelste Punkt in der Affäre.
5 Kommentare verfügbar
Christoph Nix
am 24.09.2018Real Ist
am 24.09.2018Schwa be
am 22.09.2018Peter Cuenot
am 24.09.2018Darüber berichtete damals vor allem das online-Journal seemoz aus Konstanz.
Die Summe von insgesamt Euro 16.000,00 dieses Gutachten dürfte gegen die Gesamtsumme der möglicherweise "sinn- und zwecklosen" Gutachten der Stadt Konstanz an auswärtige Experten nur peanuts sein.
Der eigentliche Grund, weshalb das Verhalten von BM Osner zu breiter und aufgewühlter Aufmerksamkeit geführt hat, ist einerseits der angebliche Streit zwischen ihm und Herrn Nix und andererseits die gegensätzlichen Darstellungen hinsichtlich der Ausführungen durch die Staatsanwaltschaft Konstanz wegen Strafbarkeit bzw. Nichtstrafbarkeit dessen, was Herr Nix bei den Vorstellungen zunächst durchsetzen wollte.
Während es einerseits heißt, die Staatsanwaltschaft hätte behauptet, das Tragen von Nazisymbolen während/in Theatervorstellungen wäre durch Vorschriften, die den künstlerischen Bereich betreffen, gedeckt, heißt es im betreffenden Gutachten, die Staatsanwaltschaft Konstanz hätte in diesem Zusammenhang strafrechtliche Ermittlungen angedroht.
Jue.So Jürgen Sojka
am 20.09.2018Jetzt ist es vollkommen unsinnig, dem einen Gutachten ein Gegengutachten entgegen stellen zu wollen!
Stattdessen, und das grundsätzlich immer, ist das Gutachten der "Gegenpartei" voll auf genügend, um in Betrachtung genommen zu werden. :-) ;-)
[b]Gesunder Menschenverstand & gesundes Rechtsemfinden[/b] zum Einsatz gebracht – und die enthaltenen Aussagen/Behauptungen auf Plausibilität geprüft.
Mangelt es an Stimmigkeit[b][2][/b], so ist der Gutachter ins [b]Kreuzverhör[/b] zu nehmen, der damit verpflichtet ist, sich zu den Unstimmigkeiten in seinem eigenen Gutachten zur Klärung er~klärend einzulassen!!!
[b][1][/b] Richter verlassen sich besonders häufig auf Gutachten – Sind Richter/-innen vorbereitet?
2009 Februar OStA Andrea Titz http://www.drb.de/fileadmin/pdf/Ethik/0902_Ethik_DRiZ_Titz.pdf
2 Seiten
Richtereid und richterliche Ethik
2012 Februar Richterliche Ethik https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/justizministerialblatt/Service/_documents/Schwerpunkthefte_pdf/richterlicheEthik.pdf?__blob=publicationFile&v=1 19 Seiten
Schleswiger Ethikrunde 2007 Säulen richterlichen Handelns ....... 14
[b][2][/b] Dokumentation: Das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses https://www.youtube.com/watch?v=9bpZFUHDtdo Video 50:20 Min.
[i]„… Dann gelingt seiner Verteidigung die grosse Sensation: In den [b]Kreuzverhören[/b] kann sie aufzeigen, dass nicht Raoul Weil den Steuerbetrug organisierte, sondern unter anderem die Kronzeugen der Anklage. Und dies ohne Wissen von Raoul Weil. Die Vorwürfe sacken in sich zusammen. …“[/i]