"Plötzlich gab es dann doch Geld für die Kunst", stellt Bernhardt fest. Auch das Künstlerhaus profitierte davon und beteiligte sich unter anderem mit einem ersten Überblick zum "Video im Abendland". Die Galeristen Hans-Jürgen Müller, Ursula Schurr und Max Hetzler veranstalteten die größte private Galerieausstellung, die es bis dahin gab. Sie nannten sie "Europa '79" und wollten bereits die Kunst des nächsten Jahrzehnts vorwegnehmen. Dabei kam es allerdings zu einem Skandal: In einer Performance im Tagblattturm hatte der nackte Wiener Künstler Wolfgang Flatz das Publikum aufgefordert, ihn mit Wurfpfeilen zu bewerfen. "Sie werden nie mehr Förderung von uns erhalten", drohte der Kulturamtsleiter Fritz Richert und OB Manfred Rommel schimpfte: "Jetzt muss genug sein."
Die Künstlerhaus-Macher hatten aber noch lange nicht genug. Sie veranstalteten ein Symposium, "Künstlerhäuser wozu?" und die einleitend beschriebene Podiumsdiskussion mit Rommel und Beuys. Es war eine turbulente Zeit. Gestört von den Hausbesetzern und der unangemeldeten Performance, redeten die Diskutanten weniger miteinander als aneinander vorbei. "Die Kunstmetropole ist das, was wir suchen", befand dennoch der Moderator Michael Klett. Später engagierte er sich beim Aufbau des Literaturhauses.
Auch heute behält Bernhard Veränderungen seiner Stadt im Auge
Vor allem gab es von Anfang an ein dichtes und vielfältiges Programm. Neue Kunstrichtungen wie Mail Art, Videokunst und Performance hatten im Künstlerhaus Premiere. Es gab aber auch Neue Musik, Punk, elektronische Musik und Minimal Music, Film und Fotografie, Vorträge zur Ökologie, Architektur und einen regen Austausch mit anderen Orten und Ländern, auch in Osteuropa.
Mit einer eigenen Edition Künstlerhaus begann gleich 1979 das Literaturprogramm. Beteiligt waren Autoren wie Manfred Esser, Wolfgang Kiwus oder Friederike Roth, die drei Jahre später den Literaturpreis der Stadt Stuttgart erhielt. Das Scherbentheater von Roland Baisch hat im Künstlerhaus angefangen, so benannt, weil die Schauspieler in der Glaswerkstatt probten. Der Begriff "künstlerische Forschung", heute aus dem Kunstdiskurs nicht mehr wegzudenken, wurde am Künstlerhaus Stuttgart geprägt.
Ulrich Bernhardt war die ersten acht Jahre Direktor des Hauses. Dann allerdings wurde die Stelle des künstlerischen Leiters 1984 von der Funktion des Geschäftsführers getrennt. Das Künstlerhaus wurde zum Sprungbrett für Kuratorenkarrieren. Dabei verlagerte sich jedoch der Schwerpunkt. Neue Tendenzen wurden weiterhin vorgestellt, aber immer weniger im Haus selbst entwickelt. Zuletzt hat Fareed Armaly um die Jahrtausendwende versucht, den experimentellen Geist der Anfangszeit neu zu beleben. Heute hat sich die Zahl der Kunst-Orte vervielfacht. Die Anregungen, die vom Künstlerhaus ausgingen, haben dazu beigetragen.
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