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50+1-Regel

Als ob der Messi käme

50+1-Regel: Als ob der Messi käme
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Vom ungehinderten Zugang internationaler Investoren träumen hierzulande nicht nur Baubürgermeister und Immobilienfirmen. Man munkelt, auch in der Bundesliga träumten manche Herren von den Millionen für Messi & Co.

Werbung macht jeder auf seine Weise. Das Land Baden-Württemberg tut es, indem es viele Millionen Euro an eine aus Hamburg stammende Hochglanz-Riesenwerbeagentur bezahlt, damit die ihren teuren Overhead finanzieren kann. Als Gegenleistung liefert die Agentur eine modulare Werbekampagne mit dem offiziellen Ziel, sogenannte Fachkräfte ins Bundesland zu locken. Ob sie inoffiziell – also in Wirklichkeit – nicht ausschließlich auf Investoren statt auf Fachkräfte zielen, das kann an dieser Stelle natürlich nicht bewiesen, aber doch zumindest spekulativ in den Raum gestellt werden. Gerne darf die geneigte Leserschaft unter dem Begriff "Investoren" Chinesen, Scheichs, Staatsfonds und andere institutionelle Investoren aller Art subsumieren – Heuschrecken aller Länder, wälcome to The Länd!

Von Heuschrecken aller Länder träumen offenbar schon seit geraumer Zeit auch einige Fußballfunktionäre im Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL). Ihre Art, für die Verwirklichung ihrer Träume Werbung zu machen, ist freilich eine andere, denn verständlicherweise können einzelne Herren Präsidiumsmitglieder (kein Gendern nötig hier, noch keine Frau im Präsidium) nicht einfach wie ein Staatsministerium so mal eben 21 Millionen Euro abzweigen für eine Werbekampagne, ohne die anderen zu fragen, ohne das Ganze durch die DFL-Mitgliederversammlung wenigstens abnicken zu lassen. Denn in dieser Versammlung sitzen ja, wie es der Name schon sagt, die Mitglieder der DFL, also von den Muttervereinen der 36 deutschen Proficlubs der ersten und zweiten Bundesliga (Herrenfußball natürlich) entsandte Fußballmanager.

Und weil sie das nicht einfach so machen können, weil nämlich unter den 36 Vertretern der 36 Proficlubs möglicherweise etliche sind, die so etwas ganz und gar nicht abnicken würden, müssen sie andere Wege finden, um internationale Investoren anzulocken. Im Falle des deutschen Profifußballs kommt aus Sicht besagter Herren erschwerend hinzu, dass es eine "50+1" genannte Regel gibt. Ihr zufolge müssen die Klubs und von diesen als Kapitalgesellschaften gegründete "Töchter" immer mehrheitlich im Besitz ihres Muttervereins sein. Sprich jenes Vereins, aus dem sich die Fußball-Aktiengesellschaften irgendwann ausgegründet haben mit dem Argument, nur so könne man wenigstens ansatzweise konkurrieren mit den anderen. Nur in Form einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft sei Erfolg möglich, weshalb beispielsweise beim VfB Stuttgart die Vereinsmitglieder aufgerufen waren, im Zuge einer Mitgliederversammlung am 1. Juni 2017 für eben diese Ausgliederung zu stimmen und damit "JA zum Erfolg" zu sagen.

Die blöde 50+1-Regel soll weg

Also, einige Herren im DFL-Präsidium wollen mehr Möglichkeiten für Investoren, daher muss diese blöde 50+1-Regel weg. Sonst bringt ja alle Werbung nix. Und jetzt, wie machen wir das? Wie macht das zum Beispiel der Herr Christian Seifert, seines Zeichens noch wenige Monate DFL-Chef, wie macht das ein Herr Peter Peters, DFL-Vize-Chef und dreisterweise Möchtegern-DFB-Präsident? Nun, man hört dazu so einiges. Zum Beispiel hört man, dass diese Herren, ohne irgendwen zu fragen, ohne das mit irgendwem abzusprechen – nicht mit den 36 DFL-Mitgliedern, nicht mit dem DFB, nicht mit den Muttervereinen –, schon vor geraumer Zeit einfach einen Antrag beim Bundeskartellamt gestellt haben, diese 50+1-Regel mal zu überprüfen.

Genauer gesagt zu prüfen, ob das denn okay sei, dass zwar 32 DFL-Mitglieder sich an diese Regel hielten, drei aber nicht, namentlich die Clubs aus Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen. Sie dürfen nur aufgrund einer seit 1999 beziehungsweise 2014 zugestandenen Ausnahmeregelung am Spielbetrieb teilnehmen. Und die Rasenballer aus Leipzig, die dürfen auch mitmachen, weil sie die Regel ziemlich geschickt umdribbeln. Sie führen nämlich den Mutterverein ad absurdum, weil dort nur handverlesene Komplizen überhaupt stimmberechtigte Mitglieder von Red Bull-Boss Mateschitz' Gnaden werden können. Sonderfall also – und eigentlich ein Fall für das Vereinsregister in Leipzig und für die auf Gemeinnützigkeit spezialisierten Finanzämter. Und scheinbar so kompliziert, dass sich niemand traut, da mal richtig ranzugehen.

Natürlich stellen die präsidialen Herren, allen voran Seifert und Peters, diesen Antrag beim Kartellamt nicht aus einer Laune heraus, sondern mit dem Ziel, dass das Kartellamt tatsächlich prüft und möglicherweise sogar etwas verkündet, gezwungenermaßen. Nämlich zum Beispiel, dass Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen mit der Teilnahme am Spielbetrieb gegen geltendes Recht verstoßen, ergo ausgeschlossen werden müssen, wogegen dann natürlich besagte Clubs klagen würden und, wie viele erwarten, mit dieser Klage auch Recht bekämen. Womit dann die 50+1-Regel vom Tisch und der Weg für Investoren aller Länder frei wäre, im deutschen Profifußball mal so richtig mitzumischen. Quasi Premier League, quasi PSG, Paris, Sie wissen schon, Messi und die anderen Megastars.

Dass wir vom eben geschilderten Szenario gar nicht mehr weit entfernt sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Das Kartellamt hat nämlich nach gefühlt drei Ewigkeiten der Prüfung tatsächlich die 50+1-Regel als nicht zu beanstanden beurteilt, wohingegen die den "Ausnahmeclubs" Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen gewährte Ausnahmeregel durchaus zu beanstanden sei. Alarm also, denn diese Clubs bereiten derzeit Stellungnahmen vor. Und noch im November werden wir erfahren, wie es weitergeht mit der 50+1-Regel in Deutschland. Und ob es überhaupt weitergeht.

Ein ausführliches Für und Wider "50 plus 1" soll an dieser Stelle schon aus Platzgründen unterbleiben – wer weiter Bock hat auf immer mehr, immer schneller und so weiter, der wird sicherlich Gründe anführen können für einen ungehemmten Zugang von Investoren zu den Clubs. Man müsse nur mal über den Teich schauen in die US-amerikanische National Football League, da könne man sehen, wie geil echter kommerzieller Profisport sei. Grad so als ob ein Messi nach Leipzig, Dortmund, Wolfsburg oder Hoffenheim wechseln würde, wenn die ihm nur genug zahlen könnten. Grad so als ob dem Messi nicht schon gleich mal seine Entourage aufs Dach steigen würde, was zur Hölle sollen wir in Hoffenheim?!

Andere werden sagen, nur "50 plus 1" könne garantieren, dass wirklich der Verein immer das letzte Wort hat und nicht die profitmaximierende Heuschrecke. Dass man auch so genug Geld habe, um überall mitzustinken, siehe Bayern München. Dass man Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen und sogar Leipzig weiter mittun lassen würde – nur halt unter den gleichen Rahmenbedingungen, die auch für alle anderen gelten. Denn das, also gleiche Voraussetzungen für alle, mache doch den Sport eigentlich aus. Weil nämlich, wie es Ralf Nestler, Aufsichtsratsvorsitzender bei Hannover 96, in einem interessanten Interview bei den Kollegen von "11 Freunde" sagt, es hierzulande weder einen Bestands- noch einen Vertrauensschutz im Unrecht gibt. Sonst müsse ja jedes Unternehmen nur lange genug unentdeckt einen Wettbewerbsverstoß begehen, um ihn auch dauerhaft für sich in Anspruch nehmen zu können.

Also wird hier jetzt nicht das Wohl oder Wehe der 50+1-Regel diskutiert – aber ein paar Fragen stelle ich mir schon. Vor allem frage ich mich, warum einzelne Herren des DFL-Präsidiums Anträge stellen beim Kartellamt. Und weiter frage ich mich, warum das andere Mitglieder im DFL-Präsidium nicht verhindern können oder wollen. Schließlich sitzen da auch ein Oliver Leki vom SC Freiburg, ein Steffen Schneekloth von Holstein Kiel, ein Oke Göttlich vom FC St. Pauli und ein Rüdiger Fritsch von Darmstadt 98. Also nicht grade die Großindustriellen des deutschen Profifußballs. Wussten die das alle nicht?


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