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Corona und Doping

Muskelmäuse nix dagegen

Corona und Doping: Muskelmäuse nix dagegen
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Weil überall beschissen wird, ist auch im Sport der Ehrliche der Dumme. Mit den neuen Impftechniken gegen das Coronavirus muss sich aber niemand mehr beim Bescheißen erwischen lassen. Die Krise wird somit zur Chance – für Doping, das niemand nachweisen kann.

Mit dem regelmäßigen Laufen habe ich bereits vor der Pandemie angefangen. Deshalb wäre es vermessen zu behaupten, ich hätte die viralen Monate beziehungsweise Jahre genutzt, um mich körperlich aufs nächste Level zu heben. Wiewohl es natürlich gut ist, das Laufen, für den Blutdruck, für die Gesichtsfarbe, für "psychich und physich", wie Terrier und Altbundestrainer Berti Vogts zu sagen pflegte. Ich komme einfach ausgeglichener daher, was wiederum gerade recht ist, weil ansonsten wüsste ich manchmal gar nicht weiter vor lauter zusätzlichem Bahnhof in Stuttgart, vor lauter zusätzlichem Ministerium in der Villa Reitzenstein, lauter Altmaier und Ziemiak und all den finsteren Gestalten in Ämtern und Würden allüberall, die bei der Impfstoffbeschaffung Solidarität mit den Armen der Welt heucheln, um ihr Versagen zu kaschieren und gleichzeitig die Ärmsten Tag für Tag mitleidslos im Mittelmeer ersaufen lassen.

Nicht mal sauber in Kolumnenform gießen lässt sich der ganze Wahnsinn, denn wie anders als "Hundert Zeilen Hass" sollte man so etwas nennen, was leider dem vorzüglichen Maxim Biller im "Tempo" schon vor vielen Jahren einfiel und mir deshalb verwehrt bleibt – wobei mir natürlich nichts ferner läge, als mit dem großen Autor mich zu vergleichen, der doch, wie Klaus Bittermann in der taz einst schrieb, "die hohe Kunst des Kolumnierens neu erfunden" hatte.

Dass freilich manche/r sehr wohl auch seinen oder ihren Nutzen zieht aus Covid und Corona, wer wollte das bezweifeln? Nutzt nicht die Obrigkeit in aller Damen und Herren Länder die pandemische Pause, um bürgerliche Freiheiten einzuschränken, um zunächst sich selbst und ihresgleichen und zuallerletzt die Jugend, die Zukunft, mit Pfründen, Moneten, Luftfiltern und Impfstoff zu versorgen? Oder beim Sport, stellen da nicht schon die ersten ganz großen Fußballclubs unter dem Deckmäntelchen des Umweltschutzes komplett auf digitale Eintrittskarten um und können damit noch besser kontrollieren, wer ins Stadion darf und wer nicht?

Und wenn wir weniger auf den Funktionär als auf den Sportler selbst schauen, auf die Person, den Menschen, der wie alle anderen auch vielleicht Angst hat, am Virus zu erkranken, mit schwersten Symptomen auf den Bauch gedreht zu werden, der long Covid und Karriereende fürchtet und sich deshalb nach Möglichkeit impfen lässt, mit feinstem mRNA (Moderna/Biontech) wahrscheinlich, weil das offenbar am besten wirkt – dann kann er oder sie sich alles mögliche andere gleich mit reinpfeifen beziehungsweise reindrücken, weil man merkt ja nix und misst ja nix danach, kann nicht sagen, ob die Muskeln dick geworden sind vor lauter frischer Luft oder EPO oder Wachstumshormon.

Die Tür zum Doping ist weit offen

Falls manche, was anzunehmen ist, das nicht ohnehin schon seit Jahren in irgendeiner Form so betreiben, hat also die Pandemie quasi die Tür aufgemacht, die Leiter runtergelassen, um das nächste Level des Dopings im Sport zu erklimmen. Selbst die althergebrachten Methoden verbotener Leistungssteigerung sind doch kein Problem, wer wollte aus mindestens 1,5 Meter Abstand schon allzu genau hinschauen? Wer überhaupt hat irgendetwas kontrollieren können in den vergangenen 15 Monaten voller Flugverbote und Quarantäne?

Dass aber überall nach Möglichkeit und Herzenslust beschissen und betrogen wird, das ist nun kein Geheimnis, das hat der Sport auch nicht exklusiv, beileibe nicht. Corona-Hilfen, Staatshilfen, Impfberechtigungen, Nebentätigkeiten, Einkünfte, Spendenhöhe alle bescheißen, wo sie nur können, no need to masquerade, es ist den Soziopathen vor dem Herrn ja oft nicht mal mehr unangenehm, was geht mich mein Geschwätz von gestern an?

So ist in vielen Sportarten der Ehrliche wohl nicht nur der Dumme, sondern möglicherweise auch in der Minderheit. Radsport, Langlauf, Schwimmen, Kraftsportarten – selbst die Pferde haben sie gedopt, die feinen Herren Galopper und Springreiter. Mussten konkurrenzfähige Radprofis früher wenigstens noch seit Kindesbeinen an schwerem Asthma leiden, weswegen auch nichts naheliegender war, als den Beruf des Berufsradrennfahrers zu ergreifen, oder gleich einen Krebs im Pass, dadurch schier unbegrenzte Medikation möglich (und trotzdem wartet unser Ulle 2003 in den Pyrenäen auf den gestürzten Armstrong, bis heute ein Aufreger), so sorgt die Pandemie dafür, dass nicht mal mehr Ausreden nötig sind. Weil, Stichwort mRNA, quasi nicht mehr die Hardware gespritzt wird, das EPO, Myoglobin, Hämoglobin, Myostatin, andere Eiweiße, Wachstumshormone, sondern nur noch die Software, die Information. Nicht mehr das Dopingmittel selbst, sondern nur noch der Bauplan dafür, den der Körper dann selbst ausführt und so dafür sorgt, dass die leistungssteigernde Substanz nicht mehr vom körpereigenen Material zu unterscheiden ist. Muskelmäuse nix dagegen. Der Möglichkeiten sind Legion, da braucht man fast überhaupt keine klassischen anabolen Steroide und andere chemischen Geschichten mehr.

Und bis die Kontrolleure von der WADA und der NADA mit ihren Kontrollmöglichkeiten a jour sind, werden etliche Rennen gewonnen, etliche Medaillen um kräftige Hälse gehängt worden sein, denn es ist von jeher ein Wettlauf zwischen Betrügen und Aufdecken, immer mit einer Nasenlänge Vorsprung für die Betrüger. Bis auf Weiteres wird also lediglich die Leistungssteigerung auf mögliche illegale Hilfsmittel hindeuten, kein gutes Zeichen für alle, die noch an ehrlichen Sport glauben. Aber die sind ja ohnehin in der Minderheit.

Fast sympathisiere ich jetzt mit einem Typen wie Neymar, dem fallsüchtigen Fußballer, weil der sozusagen nur bescheißt wie eine herkömmliche Zink-Kohle-Batterie. Und trotzdem hassen den die Leute wie verrückt. Womit wir am Ende dieses Textes doch wieder beim Fußball sind, der beim Thema Doping meist nur unter ferner liefen genannt wird. Dabei wird natürlich auch im Fußball gedopt. Einer der prominentesten Ertappten schon vor 20 Jahren: Pep Guardiola, damals in Italien bei Brescia Calcio unter Vertrag. Und auch unser aller VfB Stuttgart von 1893 seit dem Wiederaufstieg 1978 regelmäßig zu Gast gewesen bei Professor Klümper in Freiburg einst. Aber das googeln Sie bei Bedarf bitte gerne selbst.


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1 Kommentar verfügbar

  • Chr. Bender
    am 15.05.2021
    Antworten
    Erst wird in dieser Kolumne über sich und seinesgleichen kolumniert und dann wird vorgeführt, wie sich der Autor selber gerne kolumnieren hört/liest.
    Gähn!
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