Pamm! Pamm! Pamm! Da sausen sie. Die Schlagstöcke gegen Bäuche und Knie. Gefolgt von Pfefferspray aus den überdimensionierten Flaschen der Polizei, die aussehen wie schwarze Feuerlöscher. Ganz lustig: Nachts, im Schein der Straßenlaternen, sieht Pfefferspray fast ein bisschen aus wie Fanta. Naja. Gejaule wie von geschlagenen Hunden. Gebrüll aus den Helmen gepanzerter Staatsgewalt. Fanta-Fantasie adé. Während zwei Einsatzkräfte vom Sanitätsdienst mit Augenduschen versuchen, das Tränengas aus den Gesichtern der Gepfefferten zu spülen, jagt die Polizei den Rest quer über die B14 ins Heusteigviertel. Wer nicht enden will, wie die Typen aus der ersten Reihe, nimmt die Beine in die Hand und rennt in alle Himmelsrichtungen.
"Was war geschehen?" würde es in einem süßen, einsatzbegleitenden Polizei-Tweet jetzt heißen, bevor die Kuschel-Taskforce der polizeilichen Social-Media-Abteilung eine dramatische Katzenbaby-Rettung schildert, um ihr gesellschaftliches Bild der nahbaren Supergroup zu propagieren. Aber dieses Mal gibt‘s keinen Tweet. Gäbe es sowas wie alternative Pressemitteilungen zu Polizeieinsätzen, sähe sie vielleicht so aus:
"Tatort Stuttgart-Süd, Nähe Marienplatz, vergangenen Freitag. In einer arschkalten Nacht zogen etwa 250 Menschen zwischen 18 und 40 Jahren in einer Spontandemo durch die Straßen, weil sie die verkackte Coronapolitik der Bundesregierung satthaben und sich nicht erneut von 21-5 Uhr zuhause einsperren lassen wollen. Nach 30 Minuten pfeffern und schlagen die Katzenfreunde vorne rein, kesseln etwa 50 Leute zwischen Häuserfassaden, um ihre Personalien aufzunehmen. Selbst die Sanis, die den überschaubaren Nachtzug begleiteten und Gepfefferte versorgten, bekamen Klatsche, Anzeigen und Platzverweise. Wären sie Katzenbabys gewesen, hätten die Kolleginnen und Kollegen sie wahrscheinlich in einer "kuscheligen Polizeimütze" zum Aufwärmen aufs Revier gefahren. Sind sie halt aber leider nicht, lol. Selber schuld."
Immer neue Endstufen des Irrsinns
"Geiler als Tatort", sagt einer, der weg von den Cops über die B14 rennt, um sich in einer Straße in Sicherheit zu bringen, die nicht so einfach vorne und hinten zugekesselt werden kann ("querdenken, weisch!"). Er pumpt wie ein Maienkäfer. Mit einem coolen Spruch witzelt er darüber hinweg, dass das, was sich da gerade abgespielt hat, einfach nur übel war. Auf Twitter wird es später irgendwo heißen: "Immerhin wissen wir jetzt, dass die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke dabei hat". Galgenhumor. Denn am Tag darauf werden in Stuttgart wieder Ansammlungen von "QuerdenkerInnen" anreisen, die trotz Demoverbot ohne Masken eng an eng in Polonaisen mit der inkongruenten Heiterkeit psychotischer Horrorclowns durch die Innenstadt poltern. Hä? Was? Wenn die bürgerliche Querfront erst morgen antanzt, wer hat dann da gerade Brennfanta in die Schnauze bekommen?
Seit sich mit jeder Woche eine neue Endstufe des Irrsinns zündet, kann man schon mal durcheinander kommen. Auch, weil die Worte "Corona-Maßnahmen" und "Demo" seit einem Jahr komplett von "Querdenken" besetzt sind. Aber Surprise, Surprise: Diese Demo gegen die Coronapolitik, die am vergangenen Freitag unter Polizeigewalt aufgelöst wurde, bestand natürlich aus Leuten aus dem linksalternativen Spektrum. Wenigstens darauf kann man sich heute noch verlassen.
13 Kommentare verfügbar
Rolf
am 24.04.2021Wer diese Leute gar noch…