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Im Suff um die Welt

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Da muss sich nicht nur eine Gewerkschaft ganz schön anstrengen, um an einem gewöhnlichen Wochentag – und auch noch tagsüber! – derart viele Menschen auf die Straßen zu treiben! Will sagen: Es wird nicht gelingen, nicht in den altvorderen gesellschaftlichen Strukturen der Großverbände oder Parteien. Es klappt nicht mal am 1. Mai, und gestreikt wird ja leider allenfalls für Wohlstand und nicht fürs Wetter. Der neue Wind ist keiner aus 68. Ein Teil der klugen Jungs und Mädels von damals hatte sich gerade noch rechtzeitig von Mao Tse-tung verabschiedet und begleitet heute die Enkelkinder auf den Zukunftsfreitag, damit die keinen SUV anfassen "mit ihren antiautoritären Dreckpfoten". Hoffen wir, dass den Jungen Engagement und Spontanität erhalten bleiben, dass sie den langen Atem haben, der den Alten fehlte.

In diesen Tagen knutschen ja nicht nur die Massenmedien, sondern auch die lokalen Organe von Print, Politik und Wirtschaft die Kinder hinten und vorne ab. Es sind die LeserInnen von morgen, die Konsumenten von heute. Es sind die, die ihren Eltern den SUV vermiesen, am Urlaub rummotzen, die Worte wie Kapitalismus oder Faschisten in den Mund nehmen, es sind die, die ihre LehrerInnen fragen, was es denn um Himmels Willen mit den westlichen Werten auf sich hat. Unsere Kinder und Enkelkinder ekeln sich vor Schweinefleisch, kotzen bei Hähnchen, versauen ihr Abi und weinen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken und die Eltern zuschauen.

Unsere Kinder? Na ja, nicht alle, eher die wenigsten, aber immer mehr. Ich hoffe sehr, dass es noch viel mehr werden, dass uns die Kleinen zu schaffen machen, dass sie nörgeln, uns auf die Nerven fallen, dass sie den Familienfrieden stören, dass sie stark werden, widerstandsfähig, klüger als wir, ausdauernder.

Es sei denn, die ganze Schote mit dem Klima stimmt doch nicht.

Das wäre natürlich wunderbar. Also alles stark übertrieben, die Hälfte falsch, viele Fakten erstunken und erlogen. Die große Koalition rettet die Schmetterlinge und die Eisberge. Wir umarmen sie und fliegen auf die Malediven. Kein Holländer muss in den Schwarzwald ziehen, kein Flüchtling muss flüchten. Wir sagen den Negern (auf Englisch): Daheim ist's am schönsten. Und die 20 oder 30 Cent, die der Sprit später mal mehr kosten könnt', jucken nicht. Bis dahin ist vielleicht die AfD mit in der Regierung – und ich kauf' meiner Omi Glimbzsch in Zittau einen E-Skooter.


Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. Alle Wettern-Videos gibt es hier zum Nachgucken.


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