Kämpf bedauert zudem sehr, dass Berlin in der Soziokultur kürze – statt sie zu fördern. Und sogar Claudia Roth, die grüne Bundesbeauftragte für Kultur und Medien habe gerade bei kleinen Kulturprojekten Geld gestrichen.
Stichwort Berlin: Die jüngsten Kürzungen im Kulturetat in Höhe von zwölf Prozent (131 Millionen Euro) haben in der Kulturszene zu einiger Erschütterung geführt. Zum Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU), der als künftiger Kulturstaatsminister gehandelt wird, wolle sich Olschowski nicht äußern. Die Situation sei furchtbar, findet die Ministerin, allerdings könne sie die finanzielle Situation Berlins nicht beurteilen. Schlimmer noch findet sie, wie die Kultur insgesamt hier in die linke Ecke gestellt werde. Sie habe Sätze gehört, "die ich früher von CDU-Kulturpolitikern so nicht gehört habe." Damit spielt sie auf den Berliner Oberbürgermeister Kai Wegner an, der die Kulturkürzungen unter anderem damit begründet hat, dass es nicht gerecht sei, wenn eine Verkäuferin im Supermarkt mit ihrem Steuergeld die Oper subventioniere. Es finde eine schleichende Verschiebung statt.
Die Begriffe "Leitkultur" und "Brauchtum", so stellt Julia Schröder, die Moderatorin des Abends, fest, finden sich gleichermaßen bei den Konservativen wie bei der AfD. Die Ministerin betont mehrmals, dass die Landesregierung viel Geld in Amateurmusik im ländlichen Raum investiert habe. Allerdings handle es sich bei der Musik von Laienchören und -orchestern längst nicht mehr um "Brauchtum". "Die Zeiten ändern sich."
"Was mich erschreckt", bemerkt Kämpf: "Die AfD nimmt Kultur ernst, die anderen Parteien nicht." Eine Beobachtung, die Weber nach Lektüre der Thüringer Parteiprogramme bestätigen kann: Nur bei der AfD finden sich programmatische Aussagen zur Kultur. Dabei gehe es nicht nur um Skandale und Symbole wie unlängst bei Florentina Holzingers Oper "Sancta" in Stuttgart, die nicht im AfD-Sinne sein dürfte. Den Rechtsradikalen gehe es um Hegemonie.
Viel Kunst verhindert nicht rechtes Denken
Die Spielräume für die Kultur werden enger, aus finanziellen wie aus politischen Gründen: Soweit sind sich an diesem Abend alle einig. Was also tun? Dass viel Kunst und viele Kulturveranstaltungen ausreichen, dem Rechtsruck entgegenzuwirken, daran hat Olschowski begründete Zweifel. In Stuttgart sei auf diesem Gebiet viel passiert, trotzdem steige die Zahl der AfD-Wähler:innen. "Wir haben wahnsinnig viel zu verlieren", mahnt sie. Sich auf die Kultur zu berufen, reiche indes nicht aus. "Auch die Nazis waren Kulturfreunde", erinnert sie. Das sei alles ganz schwierig.
Hasko Weber rät unbedingt, nicht nur über die AfD, sondern vor allem mit den Wählerinnen und Wählern dieser Partei zu sprechen, die ja durchaus Gründe haben könnten: aus Protest etwa, weil sie sich von den anderen Parteien nicht vertreten fühlen, oder weil der Nachbar, zu dem man ein gutes Verhältnis habe und der gute Vorschläge mache, in der Partei sei. Im Gespräch bleiben, lautet Webers Devise. Um seine Bereitschaft dazu unter Beweis zu stellen, fragt er in den Saal: "Ist jemand von der AfD hier?" Pause, niemand meldet sich. "Tja, trauen sich wohl nicht", sagt Weber.
Fola Dada ist an diesem Abend zwar auch Teil der Gesprächsrunde. Allerdings kommt die Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen nur am Anfang und am Ende zu Wort, wie zur Überleitung von und zu ihrer Musik. Die Frage, ob sie selbst auch schon negative Erfahrungen mit Rechten gemacht habe, verneint sie. Sie sei "sehr glücklich in Korntal-Münchingen aufgewachsen, als waschechter Schwabe, nur ein bisschen dunkler." Eine Welt ohne Musik, "ohne die Möglichkeit des Wohlfühlens" kann sie sich überhaupt nicht vorstellen. "Es geht nicht ohne."
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