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Kulturkampf von rechts

Strategie trifft auf Ratlosigkeit

Kulturkampf von rechts: Strategie trifft auf Ratlosigkeit
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Zwei große Herausforderungen bringen den Kulturbereich in Bedrängnis: Kürzungen und rechte Politik. Darüber diskutierten unter anderem der Theaterintendant Hasko Weber und Ministerin Petra Olschowski im Stuttgarter Renitenztheater.

Trump, AfD, die Kleine Anfrage der CDU mit 551 Fragen zur Gemeinnützigkeit von NGOs: Auch die Kultur steht angesichts der Wahlerfolge rechter Parteien unter Druck. "Wie bedroht sind unsere Kunst- und Kulturarbeit?", wollte das Netzwerk "Gemeinsam gegen rechts – für eine bessere Demokratie" um Joe Bauer am vergangenen Montag von einem hochkarätig besetzten Podium im Stuttgarter Renitenztheater wissen. Dessen Intendant Roland Mahr wünscht sich ein Gegensteuern: "Am besten tun wir das mit der Kunst."

In roten Plüschsesseln, in wohlige Stimmung versetzt von der Jazzsängerin Fola Dada und dem Gitarristen Christoph Neuhaus, können die rund 250 Gäste der Diskussion komfortabel folgen. Die Kulturszene bestätigt sich gegenseitig, könnte man einwenden, die Feindbilder sind klar. Doch die Zuhörer:innen wären wohl nicht so zahlreich erschienen, wenn sie nicht beunruhigt wären.

Die baden-württembergische Wissenschafts- und Kunstministerin, Petra Olschowski (Grüne), der frühere Stuttgarter und jetzige Weimarer Theaterintendant Hasko Weber und der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und Soziokulturellen Zentren (Laks), Andreas Kämpf, diskutieren jeweils aus ihrer Warte, ob und wie sie Bedrohungen von rechts wahrnehmen.

Hasko Weber, der seit zwölf Jahren das Nationaltheater Weimar leitet, hat Erfahrung mit der AfD, die dort bei der Landtagswahl 2024 auf 34 Prozent gekommen ist. So muss er in seinem Haus mit 900 Sitzplätzen damit rechnen, dass ein Drittel der Besucher:innen AfD-Wähler:innen sind. Ob er das merke?, will die Moderatorin wissen. "Nein", sagt Weber. Es werde nicht gebuht, es werde nicht dazwischengerufen, alles ganz normal. Er hätte an diesem Montagabend gerne eine klarere Aussage gehabt, dass es um Rechtsextreme oder Rechtsradikale gehe. "Gegen rechts" ist ihm zu pauschal. Allerdings habe die CDU mit ihrer Kleinen Anfrage gezeigt, dass sie nicht davor zurückschreckt, die Methoden der AfD zu kopieren.

Olschowski berichtet, dass die AfD sich zum einen in den Debatten mit Zwischenrufen und unflätigen Bemerkungen hervortue, zum anderen aber professionalisiert habe. In der vorherigen Legislaturperiode habe sie zwar mit Kleinen Anfragen zu allem möglichen versucht, die Verwaltung lahmzulegen. Mittlerweile seien ihre Methoden aber subtiler und damit gefährlicher geworden. So sei ihr aufgefallen, dass die Abgeordneten über Kultur oft hervorragend informiert seien und gut argumentierten. Besser als viele andere Abgeordnete. Sie nennt die Stuttgarter Opernsanierung. "Da haben wir diskutiert, die einen dafür, die anderen dagegen, weil zu teuer. Und wer war eindeutig für die Sanierung, weil diese Hochkultur so wichtig ist? Die AfD."

Schulen schließen, aber Kultur fördern?

Ähnliche Erfahrungen hat Weber gemacht. Nun sei es einfach, aus der Opposition heraus Sparmaßnahmen abzulehnen, sagt er. Aber wie verhalte sich denn die Kultur, wenn das Geld knapp werde – und danach sieht es ja aus – und überall gespart werden muss? Die Frage wird nicht aufgegriffen, alle sind sich einig, dass Kultur Geld braucht. Wie viel und wofür, das ist allerdings eine strittige Frage. Weber wolle nun nicht weniger Geld für sein Haus, das er mit seinen 900 Plätzen als eher zu groß für die 65.000-Einwohner-Stadt bezeichnet. Es sei zu oft der einzige Ort, der Zusammenhalt und Zusammenkommen aus allen möglichen Bevölkerungsgruppen ermögliche.

Aber zugleich, gibt er zu bedenken, sei es doch auch nachvollziehbar, dass hohe Kulturausgaben in Frage gestellt würden, wenn gleichzeitig in den Schulen der Unterricht ausfällt oder Schulen auf dem Land ganz geschlossen werden. Ein Musiklehrer in Thüringen habe vor zehn Jahren noch vier Klassen an einer Schule unterrichtet, sei mit denen in Oper und Konzerte gegangen. Heute habe er zwölf Klassen an drei Schulen. "Der kann nicht mehr mit denen in die Oper, der wird krank." Weber regt an, diesen Bereich neu zu denken: Warum sollen Theater unbedingt pädagogische Arbeit anbieten für Jugendliche, die sie gar nicht kennen können? Es sei doch sinnvoller, Theaterpädagog:innen an den Schulen anzusiedeln, damit sich die Theater auf ihre ureigenste Aufgabe konzentrieren können: gute Aufführungen auf die Beine zu stellen. "Das können wir."

Weber erzählt, wie sein Haus für einen Jugendclub in Weimar um Weihnachten herum 7.800 Euro gesammelt habe. Der ehrenamtliche Leiter und die ebenfalls ehrenamtliche Küchenfrau seien überwältigt gewesen: Damit hätten sie die 500 Euro beisammen, die sie im Jahr für das Essen für den Kochkreis benötigen. Weber eindringlich: "500 Euro! Für ein Jahr!" Hier zeige sich, wie ungleich die Mittel verteilt seien.

CDU und AfD nähern sich an

Damit spielt Weber den Ball zu Andreas Kämpf, der seit 35 Jahren das soziokulturelle Zentrum Gems in Singen leitet, zudem die Soziokultur auf Bundesebene im Kulturrat vertritt. Soziokultur sei "selbstorganisierte Zivilgesellschaft", definiert Kämpf. Am Anfang jedes soziokulturellen Zentrums stehe immer eine Initiative von engagierten Leuten vor Ort, die was wollen. Die Zentren seien demokratisch organisiert, spartenübergreifend, Orte kultureller Teilhabe. In Singen hätten sie noch keine politischen Angriffe von rechts erlebt. Doch besonders im Osten sehe das anders aus. So habe der Landesverband Soziokultur Mecklenburg-Vorpommern kürzlich von drei Kleinen Anfragen berichtet, die sich auf die Finanzierung von gemeinnützigen Organisationen bezogen: zwei von der AfD, eine von der CDU, "nahezu textgleich".

Kämpf bedauert zudem sehr, dass Berlin in der Soziokultur kürze – statt sie zu fördern. Und sogar Claudia Roth, die grüne Bundesbeauftragte für Kultur und Medien habe gerade bei kleinen Kulturprojekten Geld gestrichen.

Stichwort Berlin: Die jüngsten Kürzungen im Kulturetat in Höhe von zwölf Prozent (131 Millionen Euro) haben in der Kulturszene zu einiger Erschütterung geführt. Zum Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU), der als künftiger Kulturstaatsminister gehandelt wird, wolle sich Olschowski nicht äußern. Die Situation sei furchtbar, findet die Ministerin, allerdings könne sie die finanzielle Situation Berlins nicht beurteilen. Schlimmer noch findet sie, wie die Kultur insgesamt hier in die linke Ecke gestellt werde. Sie habe Sätze gehört, "die ich früher von CDU-Kulturpolitikern so nicht gehört habe." Damit spielt sie auf den Berliner Oberbürgermeister Kai Wegner an, der die Kulturkürzungen unter anderem damit begründet hat, dass es nicht gerecht sei, wenn eine Verkäuferin im Supermarkt mit ihrem Steuergeld die Oper subventioniere. Es finde eine schleichende Verschiebung statt.

Die Begriffe "Leitkultur" und "Brauchtum", so stellt Julia Schröder, die Moderatorin des Abends, fest, finden sich gleichermaßen bei den Konservativen wie bei der AfD. Die Ministerin betont mehrmals, dass die Landesregierung viel Geld in Amateurmusik im ländlichen Raum investiert habe. Allerdings handle es sich bei der Musik von Laienchören und -orchestern längst nicht mehr um "Brauchtum". "Die Zeiten ändern sich."

"Was mich erschreckt", bemerkt Kämpf: "Die AfD nimmt Kultur ernst, die anderen Parteien nicht." Eine Beobachtung, die Weber nach Lektüre der Thüringer Parteiprogramme bestätigen kann: Nur bei der AfD finden sich programmatische Aussagen zur Kultur. Dabei gehe es nicht nur um Skandale und Symbole wie unlängst bei Florentina Holzingers Oper "Sancta" in Stuttgart, die nicht im AfD-Sinne sein dürfte. Den Rechtsradikalen gehe es um Hegemonie.

Viel Kunst verhindert nicht rechtes Denken

Die Spielräume für die Kultur werden enger, aus finanziellen wie aus politischen Gründen: Soweit sind sich an diesem Abend alle einig. Was also tun? Dass viel Kunst und viele Kulturveranstaltungen ausreichen, dem Rechtsruck entgegenzuwirken, daran hat Olschowski begründete Zweifel. In Stuttgart sei auf diesem Gebiet viel passiert, trotzdem steige die Zahl der AfD-Wähler:innen. "Wir haben wahnsinnig viel zu verlieren", mahnt sie. Sich auf die Kultur zu berufen, reiche indes nicht aus. "Auch die Nazis waren Kulturfreunde", erinnert sie. Das sei alles ganz schwierig.

Hasko Weber rät unbedingt, nicht nur über die AfD, sondern vor allem mit den Wählerinnen und Wählern dieser Partei zu sprechen, die ja durchaus Gründe haben könnten: aus Protest etwa, weil sie sich von den anderen Parteien nicht vertreten fühlen, oder weil der Nachbar, zu dem man ein gutes Verhältnis habe und der gute Vorschläge mache, in der Partei sei. Im Gespräch bleiben, lautet Webers Devise. Um seine Bereitschaft dazu unter Beweis zu stellen, fragt er in den Saal: "Ist jemand von der AfD hier?" Pause, niemand meldet sich. "Tja, trauen sich wohl nicht", sagt Weber.

Fola Dada ist an diesem Abend zwar auch Teil der Gesprächsrunde. Allerdings kommt die Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen nur am Anfang und am Ende zu Wort, wie zur Überleitung von und zu ihrer Musik. Die Frage, ob sie selbst auch schon negative Erfahrungen mit Rechten gemacht habe, verneint sie. Sie sei "sehr glücklich in Korntal-Münchingen aufgewachsen, als waschechter Schwabe, nur ein bisschen dunkler." Eine Welt ohne Musik, "ohne die Möglichkeit des Wohlfühlens" kann sie sich überhaupt nicht vorstellen. "Es geht nicht ohne."

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