Lärm macht krank, das ist heute allgemein bekannt. Vor allem Herz- und Kreislaufbeschwerden sind oft eine Folge von Krach am Arbeitsplatz oder in der Wohnung. Insbesondere für Menschen mit wenig Geld ist es schwierig, sich diesen krankmachenden Bedingungen zu entziehen. Schließlich wohnen sie häufig in günstigeren Lagen, zum Beispiel an vielbefahrenen, lauten Straßen. Besonders schwer haben es Menschen, die nicht frei entscheiden können, wo sie leben. Zu ihnen gehört Carmen Forderer. Die 58-Jährige ist eine von bundesweit sechs Frauen, die sich in Sicherungsverwahrung befinden. In Baden-Württemberg ist sie die einzige weibliche Person mit diesem Status.
Ralf Kusterer, baden-württembergischer Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), erläutert, dass Menschen in Sicherungsverwahrung ihre Strafe im Gefängnis eigentlich verbüßt haben: "Sie bleiben dennoch eingesperrt – in der Regel für immer, weil ein Gericht in ihnen weiterhin eine Gefahr für die Gesellschaft sieht." Meist sind das Männer, in Deutschland sind derzeit etwas mehr als 600 Menschen im Rahmen der Sicherungsverwahrung inhaftiert. Viele der Sicherungsverwahrten wurden wegen schweren Straftaten verurteilt, so auch Carmen Forderer. Die in armen Verhältnissen aufgewachsene Frau verbüßte ab 1995 drei Jahre Haft nach einer Verurteilung wegen Brandstiftung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung. 1997 folgte eine weitere Verurteilung zu sieben Jahren und zehn Monaten Haft wegen schwerer Brandstiftung, Raub und Körperverletzung. Diesmal wurde eine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet.
Über die Frage, ob diese potenziell unbefristete Zusatzhaft nach der verbüßten Strafe mit dem Grundgesetz und dem Europarecht vereinbar ist, haben Jurist:innen und Kriminolog:innen über viele Jahre heftig gestritten. 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe große Teile der ursprünglichen Regelungen für grundgesetzwidrig, nicht aber die Sicherungsverwahrung insgesamt. Sie wurde auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. So muss sichergestellt werden, dass sich die Haftbedingungen der Strafgefangenen von denen der Sicherungsverwahrten deutlich unterscheiden. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Sicherungsverwahrte keine Strafe im eigentlichen Sinn verbüßen sollen, sondern ein "Sonderopfer" für die öffentliche Sicherheit erbringen. Ihr Haftraum muss daher viel größer und besser ausgestattet sein als bei den übrigen Strafgefangenen.
Carmen Forderer bewohnt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Schwäbisch Gmünd einen geräumigen Raum mit eigener Dusche. In unmittelbarer Nähe befinden sich die beiden Sonderzellen der JVA. Dabei handelt es sich um "Hafträume, die ausschließlich Gegenstände enthalten, die nicht beschädigt oder zur Eigengefährdung des Gefangenen genutzt werden können", erklärt Aniello Ambrosio, Sprecher des baden-württembergischen Justizministeriums, gegenüber Kontext. Dorthin werden Gefangene gebracht, die sich in psychischen Ausnahmesituationen befinden und aus der Perspektive der Verwaltung den Alltag im Gefängnis stören. Sie klopfen zum Beispiel gegen die Wände oder machen sich durch lautes Rufen bemerkbar. Carmen Forderer beklagt, dass die Geräusche aus den beiden Sonderzellen bei ihr vor einigen Wochen zu Herzrhythmusstörungen geführt hätten. Nach einem eintägigen Aufenthalt im Gefängniskrankenhaus befindet sich Forderer mittlerweile wieder in ihrer Unterkunft für Sicherungsverwahrte. Und beklagt weiterhin den Lärm aus den Spezialzellen.
5 Kommentare verfügbar
Oktarine
vor 1 WocheAus Ravensburg ist auch das Urteil vom 19. Mai 2000 mit der Frau Forderer zu Haftstrafe von 7 Jahren und 10 Monaten, mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurde. Dieses Urteil wurde vom LG Ellwangen anschließend aufgehoben und diese…