Kamila Khojas vier Mädchen sind zwischen vier und 21 Jahre alt. Die beiden Älteren studieren Jura und Pharmazie. Ein Gefühl der Ungleichheit ist bei Khoja entstanden, als Student:innen aus der Ukraine an der Uni ihrer Töchter studieren durften, ohne Abitur zu haben. Das ist bei Syrer:innen anders, weiß die Mutter. Dahinter steht ein Abkommen Deutschlands mit der Ukraine, wonach ukrainische Schüler:innen mit einer Eignungsprüfung die Universität besuchen können. Für andere Geflüchtete gilt das nicht.
Ihre Tochter habe erzählt, sagt Khoja, in ihrer Schule sei gesagt worden, wer mit der deutschen Unterstützung der israelischen Regierung nicht einverstanden sei, solle Deutschland verlassen. Sie hat ihren Töchtern daraufhin empfohlen, sich zum Krieg in Gaza nicht zu äußern. Mit fortschreitendem Krieg allerdings sei in der Schule differenzierter diskutiert worden, sagt sie.
"Menschenleben sind nicht gleich Menschenleben"
Maha Shoukri beschäftigt auch die Diskrepanz in der deutschen Position zu den Kriegen in der Ukraine und in Gaza – für sie ist das Rassismus. "Menschenleben sind eben nicht gleich Menschenleben", sagt die 45-Jährige. Sie hätte sich von der hiesigen Politik gewünscht, dass sie Juden und Muslime in Stuttgart zusammenführt, anstatt sich von Araber:innen zu distanzieren, weil die auf Demos Gerechtigkeit für Palästinenser fordern, sagt Maha. So sprach die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz von "unsäglichen Palästina-Demos". Auf Bundesebene hatte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, gefordert "die schon länger in Deutschland lebenden arabisch- und türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen stärker in den Blick zu nehmen".
Shoukri ist Stuttgarterin mit einem großen Netzwerk. Sie hat in Mannheim und Berlin studiert und arbeitet als Markenstrategin. Einen starken Bezug zu Ägypten, der Heimat ihrer Eltern, hat sie genauso wie zur arabischen Community in Stuttgart. Nach zehn Jahren zwischen Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) und Sydney (Australien) hat sie ihren neuseeländischen Mann überzeugt, zurück nach Stuttgart zu ziehen.
Die Politik könnte, was Integration betrifft, mehr tun, findet Shoukri. Heute noch werde das Thema nur im Zusammenhang mit "Fachkräftemangel" oder "Flüchtlingshilfe" diskutiert, kritisiert sie. Dies vermittle den Eindruck von etwas "Vorübergehendem", davon, dass Menschen nur aufgenommen werden, weil es notwendig ist, nicht weil sie willkommen sind. Integration bedeutet für sie nicht nur Sprachtests zu bestehen und Arbeit zu finden, sondern Menschen zu verstehen, meint die Unternehmensberaterin und Diplom-Ökonomin. Man müsse in beide Teams investieren – wie bei einer Zusammenführung von zwei Firmen.
Kamila Kohja hat ähnliche Erfahrungen in ihrem Umfeld gemacht. In ihrem Freundeskreis sind christliche Araber:innen, Russ:innen und Urdeutsche, und sie freut sich über den Austausch zwischen den Kulturen. Als sie wegen der Arbeit ihres Mannes für einen deutschen Konzern in China gelebt hat, hat sie chinesische Kunst und Kalligrafie gelernt. Multikulturalität habe sie in der Expat-Community in Japan und China meistens positiv erlebt, erzählt sie.
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