Mohammad heißt in der Wirklichkeit anders. Doch seinen echten Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, auch weil er seit Januar gezielte Angriffe erlebt. Der 34-Jährige lebt seit sieben Jahren in Waiblingen bei Stuttgart und arbeitet in Fellbach in einem Handwerksbetrieb. 2015 floh er nach Deutschland, arbeitete sich schnell aus dem Flüchtlingsheim heraus in Ausbildung und Arbeit. Eigentlich könnte er sich in Ruhe ein neues Leben aufbauen. Wenn der Rassismus nicht wäre. Vor allem bei der Arbeit beleidigen ihn immer wieder Kunden. "Während der Ausbildung wollte ich mehrmals unterbrechen und weggehen", sagt der junge Mann enttäuscht. Zum Glück hätten ihn Kolleg:innen und Freund:innen unterstützt, so habe er durchgehalten und seine Karriere weiter bis zum Meisterkurs verfolgt, den er in den kommenden Monaten abschließen wird.
Parken für Ausländer verboten
Mit dunklen, großen Augen und kurzen, braunen Haaren ist Mohammad ein warmherziger Mensch, er lächelt oft. Sogar, wenn er von üblen Angriffen erzählt. Seit Januar wird sein Auto ständig zerkratzt, wenn er es ganz normal auf der Straße in der Nähe seiner Arbeit parkt. Auch ein Hakenkreuz wurde in den Lack geritzt, einmal waren die Reifen aufgeschlitzt. Ein anderer nicht-biodeutscher Autofahrer erzählte Mohammad, dass ein Anwohner ihm gesagt habe: "Hier ist Parken für Ausländer verboten." Mohammad erstattete Anzeige, die Polizei nahm die Beschädigungen auf, doch viel Hoffnung, dass der oder die Täter gefasst werden, hat er nicht. Die Kratzer auf seinem Auto nennt er "Weltkarte", denn so sähe der Schaden mittlerweile aus. Er lächelt sarkastisch. Sarkasmus hilft in solchen Situation – und die große Unterstützung von deutschen Freund:innen und Kolleg:innen.
Mohammad wollte eigentlich Rechtsanwalt in Syrien werden. Drei Jahre lang hat er Jura in Aleppo studiert. Doch die Unterdrückung durch das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad hat seinen Traum vernichtet. Als er 17 war, wurde er zum ersten Mal mit seinen beiden Brüdern (26 und 12 Jahre alt) grundlos vom Geheimdienst in Syrien festgenommen. Ein paar Wochen saßen die drei im Gefängnis, wurden gefoltert, irgendwann freigelassen. Ein Gericht, geschweige denn Anwälte hatten sie nie gesehen. 2013 wurde Mohammad zum zweiten Mal inhaftiert, weil er sich im arabischen Frühling an seiner Universität in Aleppo an den Protesten gegen das Assad-Regime beteiligt hatte. Und dann sei er noch gezwungen worden, Baschar al-Assad zu wählen, ansonsten hätte er keine Prüfungen schreiben dürfen. "Man musste eine Ja- oder eine Ja-Stimme abgeben", sagt Mohammad und grinst.
Nach zwei illegalen Festnahmen war das Leben in Syrien für den jungen Mann zu riskant. Er wollte nicht dasselbe Schicksal erleiden wie sein Onkel, der seit 1982 verschwunden ist. Der Geheimdienst habe ihn im Visier, weil schon sein Vater sich gegen die Diktatur engagierte. Auch Mohammads Schwestern, Brüder und seine Mutter sind aus Syrien geflohen, leben in der Türkei und Aserbaidschan. Einer seiner Brüder lebte in den Niederlanden und ist gestorben. Wenn er an ihn denkt, kommen ihm die Tränen und sein breites Lächeln verschwindet.
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