Erst war da Corona, und als die Bühnen wieder bespielt wurden, hat das Virus sie erneut ausgebremst. Heute muss Christine Prayon immer wieder einen Auftritt absagen, weil sie mit den Symptomen zu kämpfen hat, von denen sie nicht weiß, ob sie von ihrer Impfung kommen oder von einer Corona-Erkrankung. Schlaflosigkeit, Herzrasen, Muskelzittern, depressive Schübe – und keiner kann ihr sagen, was sie machen soll. Deshalb macht die 49-Jährige langsam und schreibt derzeit ihre Erfahrungen mit der Krankheit auf. Schonungslos und offensiv, keine Betroffenheitsliteratur. "Ich kann nur satirisch und Kunst", sagt sie. In Kürze wird das neue Buch erscheinen. Christine Prayon spricht konzentriert, nachdenklich und büchst immer wieder aus ins Satirische. Eine Begegnung in Berlins Osten.
Frau Prayon, 16 Jahre lang haben Sie in Stuttgart gewohnt. Wikipedia wähnt Sie immer noch dort.
Das wird nach dem Interview anders sein. Können wir das nicht irgendwie faken und sagen, wir haben uns hier in Karlshorst aus ganz anderen Gründen getroffen?
Für Fake News sind doch andere zuständig.
Sehr schade. Ja. Da steht tatsächlich noch, die lebt in Stuttgart. Ich finde das klasse, dass ich Wikipedia ein Schnippchen geschlagen habe.
Was hat Sie nach Karlshorst verschlagen, hier in den Osten Berlins?
Mein Mann kommt von hier und wir sind quasi Klimaflüchtlinge. Wir haben in Stuttgart im Kessel gewohnt, im vierten Stock unterm Dach, und im Sommer hab' ich gedacht, ich sterbe. Wir mussten umziehen, und innerhalb Stuttgarts muss man ja Geld haben, um auf der Halbhöhe zu wohnen, wo es klimatisch erträglich ist.
Losgelassen hat Sie die Schwabenmetropole nicht. In Ihrem neuen Programm/Buch "Abschiedstour" gibt es eine Szene, in der in ganz Deutschland mit Freudenfeiern die Überwindung des Kapitalismus gefeiert wird. Nur in Stuttgart wird das Feuer von einem Reinigungstrupp gelöscht.
Den Witz hab' ich bei der CSD-Kundgebung in Stuttgart wirklich erlebt. Ich stand in der Eberhardstraße, alle tanzten und waren ausgelassen, und als der letzte Wagen vorbeizog, kam direkt dahinter schon der Kehrwagen und machte sauber. Ich hab' so lachen müssen. Nicht mal das kriegen sie hin, dass sie sagen, heute ist mal gut, heute sind wir mal anarchisch. Nein, dahinter musste sofort die Party gekärchert werden. Also gerne Revolution, aber danach bitte sauber machen.
Die Kehrwoche klebt den Schwaben wie Pattex an der Backe. Sie spielen dabei auch auf den Protest gegen Stuttgart 21 an, der weggespritzt wurde. Tanja Gönner war Ihre Paraderolle, die CDU-Verkehrsministerin, die eine steile Karriere hingelegt hat, über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit bis zur Geschäftsführerin beim Bundesverband der Deutschen Industrie.
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Angela Cerny
am 01.03.2024