Seit ein paar Tagen hat der 25-jährige Gide Goitom einen Reiseausweis und kann nach zwölf Jahren – zumindest rein rechtlich – wieder seine Eltern besuchen. Bis dahin war es ein langer Weg. Der sogenannte "Reiseausweis für Ausländer" wurde ihm mit dem Hinweis verweigert, er könne einen eritreischen Pass beantragen. Um in der eritreischen Behörde einen Pass zu bekommen, hätte Goitom aber eine sogenannte "Reueerklärung" abgeben müssen. Die setzt ein Schuldeingeständnis voraus, die Flucht als eine Art Straftat gegenüber dem eritreischen Staat anzuerkennen – dazu war Goitom nicht bereit.
Er hat kein Vertrauen in den eritreischen Staat, in dem Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Strafverfolgung Alltag sind. Wer auf der eritreischen Botschaft von den eigenen Erlebnissen erzähle und dabei nicht gut über den Staat spreche, sagt Goitom, habe keine Chance auf Papiere.
Dass die deutschen Behörden ihm den Reiseausweis verweigerten, kann er nicht verstehen. Früher hätten die Beamten immer zu ihm gesagt, er habe Chancen in Deutschland, wenn er in die Schule gehe, eine eigene Wohnung beziehe und Arbeit habe. "Ich habe immer 'Ja' gesagt. Ich bin seit über drei Jahren in meiner eigenen Wohnung, habe Arbeit und verdiene mein Geld. Und am Ende sagen sie 'Nein'. Das macht keinen Sinn."
Goitom hat den Status von subsidiärem Schutz in Deutschland. Das bedeutet, dass er hierzulande zwar nicht als Flüchtling oder Asylberechtigter gilt, da er aus keinem Kriegsgebiet kommt, aber dennoch anerkannt wird, dass ihm in Eritrea ein "ernsthafter Schaden droht".
Nach lebensgefährlicher Flucht kam Goitom als Minderjähriger mit nichts in den Taschen in Deutschland an. Nun lebt er im ruhigen Gäufelden, einer 9.000-Seelen-Gemeinde im Landkreis Böblingen, besucht das Fitness-Studio und pflegt seine sozialen Kontakte an den Wochenenden. Er arbeitet als Landschaftsgärtner und ist finanziell unabhängig. All die Menschen, die ihn begleitet haben und begleiten, "sind für mich eine Familie, ich kann es nicht anders sagen", sagt er. Er hat viele Freund:innen in Deutschland gefunden, einer von ihnen ist Marc Herzer-Kisters.
Schwierigkeiten mit der Behörde
Als Herzer-Kisters merkte, "wie schwierig es ist und wie genervt Gide von der Ausländerbehörde ist", bekam er Interesse, selbst herauszufinden, "warum es mit seinen Anträgen nicht weitergeht". Herzer-Kisters, der ausgebildeter Jugend- und Heimerzieher ist, stieß auf eine gestresste Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde, die aufgrund von Personalmangel zwei Stellen betreuen musste. "Teilweise waren es wohl Kommunikationsprobleme" zwischen seinem Freund Goitom und der Behörde, glaubt Herzer-Kisters. Wenn Goitom etwas nicht gleich verstanden hat, habe die Sachbearbeiterin auf Nachfragen schnell genervt reagiert.
1 Kommentar verfügbar
Michel
vor 3 Wochen