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Konfuzius-Institute

Operation Peking-Ente

Konfuzius-Institute: Operation Peking-Ente
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An deutschen Hochschulen versucht China an Einfluss zu gewinnen: mit Konfuzius-Instituten, die vordergründig nur Sprach- und Kochkurse anbieten. Auch an den Unis in Freiburg und Heidelberg.

Wer den Vortrag hörte, wähnte sich auf einem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas. Die Vereinigten Staaten von Amerika würden Milliarden Menschen in Geiselhaft nehmen, behauptete der Referent. Mit Containment-Politik (im Kalten Krieg sollte diese die sowjetische Ausbreitung eindämmen) würden US-Regierungen, egal ob Demokraten oder Republikaner, den Globalen Süden in Armut halten, um sich die Weltherrschaft zu sichern. Dagegen bemühe sich das aufstrebende Schwellen- und Entwicklungsland China nur, seiner Bevölkerung einen bescheidenen Wohlstand zu bieten. Das Reich der Mitte strebe danach, in friedlicher Koexistenz mit anderen Völkern der Welt zu leben.

Über "Ökonomische Grundlagen einer neuen Weltordnung des 21. Jahrhunderts", so der Titel des Vortrags, sprach aber kein Funktionär der Kommunistischen Partei in der Großen Halle des Volkes in Peking, sondern Jürgen Schoer im Haus der Wissenschaft in Bremen. Der ehemalige Professor war bis 2021 Lehrbeauftragter an der privaten Hochschule FOM mit den Schwerpunkten Allgemeines Management, Corporate Finance und Ethik. Seit 2018 lehrt er auch in China, unter anderem an Hochschulen in Wuhan und Taian. Am vergangenen Mittwoch referierte er auf Einladung der Konfuzius-Institute Bremen und Erfurt, die den Vortrag live ins Internet übertrugen.

Konfuzius-Institute im Verfassungsschutz-Bericht

Weltweit soll es mehr als 550 Konfuzius-Institute (KI) geben, die sich nach eigener Darstellung der Vermittlung der chinesischen Sprache und Kultur widmen. Das erste wurde im Jahr 2004 in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul eröffnet. Seit 2006 sind sie auch im deutschsprachigen Raum präsent. In der Bundesrepublik derzeit mit 19 Einrichtungen, verteilt auf die Hochschulstädte. In Baden-Württemberg finden sie sich an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität. In Österreich sind sie in Wien und Graz ansässig, in der Schweiz in Genf.

Immer wieder werden Vorwürfe laut, dass die KI mehr als nur Sprachkurse und Rezepte für Peking-Ente anbieten. Die Einrichtungen fungierten als Propagandabüros und dienten der Überwachung chinesischer Staatsbürgern im Ausland, seien sogar als Kultureinrichtung getarnte Spionage-Stützpunkte, heißt es. "Im akademischen Bereich sind die chinesischen Konfuzius-Institute bedeutsame Akteure auf dem Feld der Einflussnahme, die die akademische Freiheit auf unterschiedlichen Wegen zu unterminieren drohen", schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht 2020. Im Zusammenhang mit den Hongkong-Protesten und der Coronapandemie hätten chinesische Akteure in der deutschen medialen Öffentlichkeit aggressive Desinformations- und Propagandakampagnen durchgeführt. Zur Durchsetzung ihrer Agenda greife die Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) dabei auch auf die chinesische Diaspora sowie regimetreue Studierende zurück.

Erst kürzlich warnte auch das Bundesinnenministerium (BMI). Die Zusammenarbeit deutscher Hochschulen mit KI sehe man "aus Sicherheitsgesichtspunkten äußerst kritisch und weist die Hochschulen im Rahmen von Sensibilisierungen regelmäßig auf die damit verbundenen Gefahren hin", zitiert das "Handelsblatt" im September eine Ministeriumssprecherin. Die Institute dienten nach der Einflussnahme-Strategie der KPCh "insbesondere dazu, ein makelloses Chinabild zu verbreiten ... Eine zumindest indirekte Einflussnahme der KPCh auf die Konfuzius-Institute folgt bereits daraus, dass diese zu einem nicht unerheblichen Teil vom chinesischen Staat mitfinanziert werden". Diese Unterstützungsleistung bedeute für kooperierende deutsche Universitäten oftmals eine "erhebliche finanzielle Erleichterung", berge jedoch "die Gefahr einer Abhängigkeit und damit der schleichenden Einschränkung der akademischen Freiheit".

Einfallstor für Forschungsspionage?

Ähnlich Beunruhigendes stand auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im April. Man beobachte das Wirken der Konfuzius-Institute an deutschen Hochschulen "sehr genau", hieß es. Randnotiz: damals wurde die Beantwortung mehrerer Fragen wegen Geheimhaltung aus Gründen der Sicherheit und Staatsräson verweigert. Nicht äußern wollte man sich, welche Themen der chinesischen Politik in der Lehre der Institute "ausgeblendet" werden. Die Vermutung der Fragesteller, die KI seien ein Einfallstor für Forschungsspionage, wurde kryptisch beantwortet. Es lägen "keine Belege" für die "Einfallstor"-Theorie vor. Ob chinesische Studierende und Wissenschaftler in Deutschland gezielt zur Spionage eingesetzt werden, dazu schwieg die Bundesregierung.

Tatsächlich nannte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf dem G7-Treffen vor wenigen Tagen China einen "systemischen Rivalen". Hiesige Wissenschaftler und Wirtschaftsführer sehen dies längst bei Forschung und Entwicklung. So hatte sich Staats- und Parteichef Xi Jinping in seinem Bericht an den 20. Parteitag der Kommunistischen Partei im vergangenen Oktober erstmals ausführlich der Innovation gewidmet: Bildung, Wissenschaft, Technik und Fachkräfte seien die strategischen Triebkräfte für Chinas Transformation in ein modernes sozialistisches Land. Die Begriffe "Wissenschaft und Technik" wurden deutlich häufiger benutzt als beim Parteitag 2017, analysiert das Berliner Mercator Institute for Chinese Studies (MERICS). Dies artikuliere den Wunsch Pekings, technologische Unabhängigkeit zu erreichen, auch angesichts von US-Beschränkungen für Halbleiter, konstatiert MERICS.

Ein Problem für den hiesigen Wissenschaftsbetrieb? "Die Kommunistische Partei Chinas betrachtet die Studien junger Chinesen an ausländischen Universitäten als patriotische Mission. Das Motto: Sei loyal, transferiere Technologie, assimiliere dich nicht", schrieb die Journalistin und China-Forscherin Didi Kirsten Tatlow im Dezember 2019 in einem Aufsatz für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dabei läuft der Wissenstransfer derzeit nur in eine Richtung: Im Wintersemester 2021/2022 waren in Deutschland 440.564 ausländische Studierende immatrikuliert. Mit 43.692 Studierenden kamen die meisten aus China. Umgekehrt ist es anders: Zuletzt studierten in 2020 rund 8.000 Deutsche in China, die meisten von ihnen kehrten damals im Zuge der Corona-Pandemie nach Deutschland zurück.

Welche Rolle spielen dabei die Konfuzius-Institute? Sie unterstehen weltweit der 72-jährigen stellvertretenden Ministerpräsidentin Sun Chunlan, einer der einflussreichsten Politikerinnen Chinas und derzeit einzigen Frau im 25-köpfigen Politbüro des Zentralkomitees der KPCh. Gleichzeitig ist sie Leiterin der ZK-Abteilung für die "Einheitsfront", dem Dachverband von Kulturorganisationen. Die Rolle der Einheitsfront im Ausland ist es, bedeutende Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft für die Ziele der Partei einzubinden, gleichzeitig aber auch "schädliche Elemente" aufzuspüren und sie unschädlich zu machen. "Die Einheitsfront soll chinesische Studenten von der europäischen Außenwelt abschirmen", sagt China-Expertin Tatlow.

Dem Leiter des KI in Brüssel wurde das Visum entzogen

Daneben kooperieren die KI mit chinesischen Universitäten und sind seit 2020 dem "Ministry of Education Center for Language Exchange and Cooperation", der außenpolitischen Kulturorganisation der Volksrepublik China angegliedert. Offiziell beaufsichtigt und finanziert eine "Chinese International Education"-Stiftung die Institute, was nach der taiwanesischen "China-Times" dazu dient, die Staatsnähe zu kaschieren. Sensible Themen wie Tibet, das Volk der Uiguren, Taiwan oder Menschenrechte in China spielen deshalb keine Rolle im KI-Portfolio. Tibetern, Uiguren, Falun Gong-Praktizierenden, Befürwortern der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie Anhängern der Demokratiebewegung ist es verwehrt, an den Instituten zu unterrichten.

Nach Aufdeckung von illegalen chinesischen Polizeistationen in Holland vor Kurzem – ein ähnlicher Fall wird auch in Frankfurt untersucht – erscheinen "fachfremde" Aufgaben der Konfuzius-Institute als denkbar. So wurde dem KI-Leiter in Brüssel, Xinning Song, in 2020 wegen Spionagevorwürfen das Visum entzogen. Das aktuelle Bremer Vortrags-Event legt nahe, dass Propaganda zum Geschäft gehört. "Noch haben westliche, liberale Gesellschaften keinen Weg gefunden, wie sie mit der opaken Einflussnahme Pekings umgehen sollen", mahnt China-Expertin Tatlow.

Andere sehen es genauso. "Autoritäre Staaten wie China oder Russland investieren viel Geld in Propaganda, um ihre massiven Menschenrechtsverletzungen zu verschleiern und eine sachliche Debatte darüber zu verhindern", kritisiert Jasna Causevic, Referentin für Genozid-Prävention bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. "Gegen diese Versuche der Einflussnahme müssen wir energisch vorgehen, um unsere Demokratie und Meinungsfreiheit zu schützen und einer Spaltung unserer Gesellschaft vorzubeugen." Von Diktaturen finanzierte Bildungseinrichtungen an deutschen Unis seien nicht akzeptabel. "Es ist grotesk, dass sich viele deutsche Forschende auf die Wissenschaftsfreiheit beziehen, wenn sie jede Kritik an der Kooperation mit den Peking-hörigen Instituten als illegitim zurückweisen", findet Causevic.

Schweden hat die Kooperation beendet

Inzwischen hat Schweden als einziges europäisches Land die Kooperation mit den Instituten beendet. US-amerikanische und kanadische Universitäten folgten nach Warnungen des FBI und des US-Außenministeriums. In Deutschland kündigten die Universitäten Düsseldorf und Hamburg Ende 2020 die Zusammenarbeit auf. Die Universität Trier zu Beginn dieses Jahres.

Die betreffenden Universitäten in Baden-Württemberg arbeiten weiterhin mit den KI zusammen, die beide in 2009 mit Partneruniversitäten in China gegründet und seither von einem deutsch-chinesischen Direktoren-Team geleitet werden. Vorwürfe der Propaganda und der Selbstzensur seien unzutreffend, teilt die Uni Heidelberg auf Anfrage mit: "Der Universität ist keine Einflussnahme durch die chinesische Führung auf die konkrete Vereinsarbeit bekannt. In der Vereinssatzung ist explizit aufgeführt, dass bei der Realisierung der Vereinszwecke die Freiheit von Forschung, Lehre, Kunst und Kultur gewahrt wird." Insofern bestehe aus Sicht der Universität Heidelberg "kein Anlass und keine Notwendigkeit, die Kooperation zu beenden.

Ähnlich antwortet die Uni Freiburg und verweist darauf, dass das KI ein Verein und keine wissenschaftliche Einrichtung sei: "Es hat den Status eines 'An-Institutes' an der Universität, ist also eine rechtlich selbstständige Einrichtung mit eigenem Personal, Lehrplan und Budget", so eine Sprecherin. Partner seien Uni und Stadt Freiburg gemeinsam. Sie bestätigt, dass die Hochschule die Stelle der deutschen Direktorin finanziert, die beim Verein angestellt ist: "Die Kosten dieser Position belaufen sich laut aktuellem Tarifvertrag auf 64.740 Euro im Jahr."

Auf Nachfrage betont das Stuttgarter Wissenschaftsministerium, dass es die Gefahr von "nicht intendiertem Wissens- und Technologietransfer in sicherheitssensiblen und wettbewerbsrelevanten Bereichen nach China als relevant bewertet". Dies zu verhindern liege in einem liberal-demokratischen Wissenschaftssystem in Verantwortung von Wissenschaftler:innen und Hochschulen. Man rate dazu, Kooperationen nicht auf die VR China zu fokussieren, sondern zu diversifizieren, um Abhängigkeiten zu vermeiden.

Am Ende des Vortrags in Bremen durfte das Publikum Fragen stellen. Ein Online-Zuschauer kritisierte, dass im Vortrag die geheimen Straflager für Uiguren oder die lückenlose Überwachung der Bevölkerung mit keinem Wort erwähnt wurden. "Es ist doch Überheblichkeit, den Chinesen unsere westlichen Werte auferlegen zu wollen", antwortete Referent Schoer.


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7 Kommentare verfügbar

  • Philipp Horn
    am 14.11.2022
    Antworten
    Da sind wohl ein paar der chinche Propaganda erlegen.
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