Ein Problem für den hiesigen Wissenschaftsbetrieb? "Die Kommunistische Partei Chinas betrachtet die Studien junger Chinesen an ausländischen Universitäten als patriotische Mission. Das Motto: Sei loyal, transferiere Technologie, assimiliere dich nicht", schrieb die Journalistin und China-Forscherin Didi Kirsten Tatlow im Dezember 2019 in einem Aufsatz für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dabei läuft der Wissenstransfer derzeit nur in eine Richtung: Im Wintersemester 2021/2022 waren in Deutschland 440.564 ausländische Studierende immatrikuliert. Mit 43.692 Studierenden kamen die meisten aus China. Umgekehrt ist es anders: Zuletzt studierten in 2020 rund 8.000 Deutsche in China, die meisten von ihnen kehrten damals im Zuge der Corona-Pandemie nach Deutschland zurück.
Welche Rolle spielen dabei die Konfuzius-Institute? Sie unterstehen weltweit der 72-jährigen stellvertretenden Ministerpräsidentin Sun Chunlan, einer der einflussreichsten Politikerinnen Chinas und derzeit einzigen Frau im 25-köpfigen Politbüro des Zentralkomitees der KPCh. Gleichzeitig ist sie Leiterin der ZK-Abteilung für die "Einheitsfront", dem Dachverband von Kulturorganisationen. Die Rolle der Einheitsfront im Ausland ist es, bedeutende Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft für die Ziele der Partei einzubinden, gleichzeitig aber auch "schädliche Elemente" aufzuspüren und sie unschädlich zu machen. "Die Einheitsfront soll chinesische Studenten von der europäischen Außenwelt abschirmen", sagt China-Expertin Tatlow.
Dem Leiter des KI in Brüssel wurde das Visum entzogen
Daneben kooperieren die KI mit chinesischen Universitäten und sind seit 2020 dem "Ministry of Education Center for Language Exchange and Cooperation", der außenpolitischen Kulturorganisation der Volksrepublik China angegliedert. Offiziell beaufsichtigt und finanziert eine "Chinese International Education"-Stiftung die Institute, was nach der taiwanesischen "China-Times" dazu dient, die Staatsnähe zu kaschieren. Sensible Themen wie Tibet, das Volk der Uiguren, Taiwan oder Menschenrechte in China spielen deshalb keine Rolle im KI-Portfolio. Tibetern, Uiguren, Falun Gong-Praktizierenden, Befürwortern der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie Anhängern der Demokratiebewegung ist es verwehrt, an den Instituten zu unterrichten.
Nach Aufdeckung von illegalen chinesischen Polizeistationen in Holland vor Kurzem – ein ähnlicher Fall wird auch in Frankfurt untersucht – erscheinen "fachfremde" Aufgaben der Konfuzius-Institute als denkbar. So wurde dem KI-Leiter in Brüssel, Xinning Song, in 2020 wegen Spionagevorwürfen das Visum entzogen. Das aktuelle Bremer Vortrags-Event legt nahe, dass Propaganda zum Geschäft gehört. "Noch haben westliche, liberale Gesellschaften keinen Weg gefunden, wie sie mit der opaken Einflussnahme Pekings umgehen sollen", mahnt China-Expertin Tatlow.
Andere sehen es genauso. "Autoritäre Staaten wie China oder Russland investieren viel Geld in Propaganda, um ihre massiven Menschenrechtsverletzungen zu verschleiern und eine sachliche Debatte darüber zu verhindern", kritisiert Jasna Causevic, Referentin für Genozid-Prävention bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. "Gegen diese Versuche der Einflussnahme müssen wir energisch vorgehen, um unsere Demokratie und Meinungsfreiheit zu schützen und einer Spaltung unserer Gesellschaft vorzubeugen." Von Diktaturen finanzierte Bildungseinrichtungen an deutschen Unis seien nicht akzeptabel. "Es ist grotesk, dass sich viele deutsche Forschende auf die Wissenschaftsfreiheit beziehen, wenn sie jede Kritik an der Kooperation mit den Peking-hörigen Instituten als illegitim zurückweisen", findet Causevic.
Schweden hat die Kooperation beendet
Inzwischen hat Schweden als einziges europäisches Land die Kooperation mit den Instituten beendet. US-amerikanische und kanadische Universitäten folgten nach Warnungen des FBI und des US-Außenministeriums. In Deutschland kündigten die Universitäten Düsseldorf und Hamburg Ende 2020 die Zusammenarbeit auf. Die Universität Trier zu Beginn dieses Jahres.
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Philipp Horn
am 14.11.2022