Die grünen Hoffnungen waren groß. Mit der langjährigen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer rechnete sich die Partei beste Chancen auf das OB-Amt in Heidelberg aus. Doch beim ersten Wahlgang am Sonntag musste sie eine herbe Klatsche einstecken. Mit 28,6 Prozent der abgegebenen Stimmen landet sie deutlich hinter dem parteilosen Amtsinhaber Eckart Würzner, der die absolute Mehrheit mit 45,9 Prozent nur knapp verfehlt und seinem jubelnden Anhang verspricht, im zweiten Wahlgang am 27. November das Rennen zu machen.
Bauer, die im September ihr Ministeramt niederlegte, um sich auf den Wahlkampf zu konzentrieren, gibt sich nicht geschlagen. Entscheidend sei nun, ob die "Mehrheit für den Wechsel" ihre Kräfte bündelt. Der 34-jährige Gymnasiallehrer Sören Michelsburg, der für die SPD 13,5 Prozent holt, will sich am Wahlabend noch nicht festlegen, wie es für ihn weitergeht. Die übrigen sechs Kandidierenden bleiben deutlich unter fünf Prozent.
Aus Sicht der Ökopartei wäre die Zeit für eine grüne Oberbürgermeisterin reif. Und auf den ersten Blick bringt Theresia Bauer hierfür beste Voraussetzungen mit. Studierendenstädte in Baden-Württemberg sind grüne Hochburgen. Seit 2001 vertritt Bauer den Wahlkreis Heidelberg im Landtag, errang 2021 zum dritten Mal das Direktmandat. Mit 41,7 Prozent durfte sie sich über das drittbeste grüne Ergebnis im Land freuen. Der Anteil Kretschmanns daran ist allerdings nicht zu unterschätzen.
Auch wenn CDU, FDP und die wirtschaftsnahe Vereinigung "Die Heidelberger" den parteilosen OB seit seinem Amtsantritt 2006 unterstützen – das Kräfteverhältnis im Gemeinderat hat sich verschoben. Inzwischen haben die Grünen mehr Sitze als alle drei zusammen und stellen die größte Fraktion.
Bauer umwirbt Studis, Würzner nicht
Doch wie in Stuttgart ist auch in Heidelberg das Mitte-Links-Lager zersplittert. Bauer wurde allein von der pro-europäischen Partei Volt unterstützt, SPD und Linke stellten eigene Kandidaten. Bemerkenswert ist, dass die Herausforderin nur im begehrten Wohnviertel Weststadt mehr Stimmen als der Amtsinhaber holte, während sie in den sozial gemischten Bergstadtteilen besonders schlecht abschnitt.
In der jüngsten Stadt Deutschlands stellen Studierende einen großen Teil der Bevölkerung. Mit einer Erstwohnsitzkampagne setzt die 57-Jährige vom Realo-Flügel der Partei auf die junge Zielgruppe, verspricht mehr Tempo beim Klimaschutz, Vorrang fürs Rad, ein queeres Zentrum und Freiräume für Kultur- und Kreativprojekte.
Tatsächlich hat Theresia Bauer, die Kretschmann 2011 als Wissenschaftsministerin in sein Kabinett holte, viel für die Studis im Land erreicht. Sie schaffte die Studiengebühren für EU-Bürger:innen ab, erhöhte die Grundfinanzierung der Universitäten, baute Studienplätze aus und führte die Verfasste Studierendenschaft wieder ein, die 1977 abgeschafft worden war.
Davon profitieren Studierende bis heute, doch für die jüngeren Semester ist das einfach "normal", die Beschlüsse fielen vor ihrer Zeit. Mitbekommen haben sie eher die umstrittene Einführung von Studiengebühren, die für Nicht-EU-Studierende wie auch für ein Zweitstudium anfallen. Oder den Uni-Lockdown, der ihnen das Studentenleben vermieste.
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Andrea K.
am 15.11.2022In Stuttgart wurde der Grüne Fritz Kuhn gewählt, weil die anderen Kandidaten…