Schon lange fühlen sich Gemeinden des Oberen Filstals vom Landkreis Göppingen vernachlässigt. Die Entscheidung des Kreistags im Mai 2021, die Helfenstein-Klinik in Geislingen zu schließen, war dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und BürgerInnen aktiv werden ließ. Die Helfenstein-Klinik ist der zweite, kleinere Standort der kreiseigenen Alb-Fils-Kliniken. Das große Krankenhaus in Göppingen wird gerade erneuert. Bis heute heißt es auf der Website der Alb-Fils-Kliniken: "Unsere Standorte trennt nichts, außer 18 Kilometer. Und da wir den ganzen Landkreis Göppingen und Randgebiete der angrenzenden Landkreise medizinisch versorgen, ist es nur sinnvoll, die Gesundheitsversorgung über zwei Standorte zu verteilen, vom Oberen bis zum Unteren Filstal." Angesichts der Kreistagsentscheidung tönt das in den Ohren der GeislingerInnen wie Hohn.
In der Fußgängerzone zwischen Rathaus und Wochenmarkt bauen Ludwig Kraus, Thomas Reiff und Erkan Erdem einen Infostand auf. An die rot-grünen Farben des Aktionsbündnisses sind die GeislingerInnen mittlerweile gewöhnt. Jeden Mittwoch stehen Bündnis-Aktive hier, immer wieder auch an anderen Orten des oberen Filstals. Dazu kommen samstägliche Mahnwachen vor dem Krankenhaus und als einzigartige Geislinger Protestform die "Notfeuer" mit Fackeln auf der Burgruine Helfenstein.
Kraus, Erdem und Reiff sitzen im Gemeinderat, ebenso Holger Schrag, der mit Kraus im März das Aktionsbündnis initiiert hat. Mit Werner Gass bilden sie die DNF: "Die neue Fraktion". Die hat sich im Zuge der Querelen um das Michelberg-Gymnasium Anfang 2020 neu zusammengefunden, nachdem Geislingen im Zuge der energetischen Sanierung der Schule 21 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat.
Schrag ist seit 2009 Stadtrat, stand mal den Linken, mal den Grünen nahe. Kraus und Gass waren vorher bei den Freien Wählern und Erdem gehört der neuen Wählervereinigung Perspektive Geislingen an, die 2019 mit zwei Ratsherren in den Gemeinderat eingezogen ist.
Erdem freut sich, mitgestalten zu können, muss allerdings feststellen, dass für Neues oft wenig Spielraum bleibt. Grund ist die angespannte Finanzlage. "Das Problem beginnt damit, dass der größte Steuerzahler versucht, möglichst wenig Steuern zu zahlen", umreißt Schrag die Sachlage. Der größte Steuerzahler ist die WMF. Nachdem der amerikanische Investor KKR 2012 die Aktienmehrheit erworben und das Unternehmen kräftig ausgepresst hatte, hat 2016 die französische Groupe SEB übernommen, die weiterhin Beschäftigte und Produktionskapazitäten abbaut.
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Michael
am 29.09.2021Es ging bei dem Bürgerntscheid darum, dass GEPRÜFT werden soll unter welchen Rahmenbedingungen ein Austritt aus dem Landkreis Göppingen sowie ein…