Als der baden-württembergische Ministerpräsident noch Lothar Späth hieß, war man wenigstens ehrlich. 1982 erklärte er unverblümt: "Die Buschtrommeln werden in Afrika signalisieren: Kommt nicht nach Baden-Württemberg, da müsst ihr ins Lager." Heute, 30 Jahre später, hat sich an der Ausgestaltung der Flüchtlingslager nichts verbessert. Im Gegenteil: Die Besuchsregeln waren selbst in der 1990 gegründeten ZAST Karlsruhe weniger restriktiv als in den jetzigen Landeserstaufnahmestellen (LEA). "Wir hatten jederzeit Zugang", sagt Walter Schlecht von Aktion Bleiberecht, der sich seit Jahrzehnten gegen die Entrechtung von Geflüchteten einsetzt. Heute haben unabhängige Initiativen überhaupt keinen Zugang in die von privaten Securitys bewachten Erstaufnahmestellen.
Die Besuchsregelung in der Freiburger LEA hält die Juristin Anja Lederer auch im Vergleich zu anderen Bundesländern für besonders restriktiv, sie sei "unglaublich und überhaupt nicht gesetzeskonform", so die Rechtsanwältin. Denn in der Regel müssen Besuche außerhalb der Einrichtung stattfinden. Nur in Ausnahmefällen gestattet die Einrichtungsleitung Besuche auch innerhalb. In anderen Bundesländern, zum Beispiel in Berlin, sind Besuchsmöglichkeiten weniger eingeschränkt.
Schutz der BewohnerInnen wird vorgeschoben
Das von CDU-Mann Thomas Strobl geführte Innenministerium sieht da keine Probleme: Es handle sich nicht um eine allgemein zugängliche öffentliche Einrichtung. "Im Hinblick auf den Schutz der BewohnerInnen sowie die Sicherstellung von Ruhe und Ordnung im Interesse der BewohnerInnen ist (…) eine Zugangskontrolle notwendig." Wenn ein Vermieter einer ganz normalen Mieterin Besuch untersagen würde, wäre die Empörung wohl relativ groß. Auch in einem Studierendenwohnheim, wo ebenfalls Lärmkonflikte auftauchen, würde das zuständige Studierendenwerk kaum auf den Gedanken kommen, dass jeder Besuch vorher angemeldet und genehmigt werden muss. Gegenüber Geflüchteten erlässt das Regierungspräsidium aber solche Regelungen und schiebt den Schutz der BewohnerInnen vor.
So auch bei der uferlosen Liste verbotener Gegenstände: In der Freiburger LEA sind u.a. Friseurscheren, Haarschneider, Glasflaschen, Küchenmesser, Kerzen, aber auch Wandspiegel, Teppiche, Fernseher und sogar verderbliche Lebensmittel verboten. Selber Essen zubereiten dürfen die BewohnerInnen nicht. Geregelt ist das alles per Anhang an die Hausordnung, die in anderen baden-württembergischen Erstaufnahmeeinrichtungen ebenso gestaltet ist. Neben dem Ankunftszentrum Heidelberg und der LEA Freiburg gibt es sie auch in Karlsruhe, Ellwangen, Sigmaringen und Tübingen.
In den Hausordnungen werden den privaten Sicherheitsfirmen, die in Flüchtlingswohnheimen an der Tagesordnung sind, weitreichende Befugnisse eingeräumt. Securities stehen am Eingang der Freiburger LEA und führen verdachtsunabhängige Personen- und Taschenkontrollen durch. Eine besonders heikle Belastung für viele Bewohner*innen stellen die regelmäßig stattfindenden Zimmerkontrollen dar. "Das Recht, gemeinsame Zimmerkontrollen durchzuführen, wird in der Regel zusätzlich auf die Alltagsbetreuung und den Sicherheitsdienst im Rahmen von § 11 dieser Hausordnung übertragen", heißt es in der Hausordnung der LEA.
Unverletzlichkeit der Wohnung?
In Freiburg, wo es mit den Initiativen Aktion Bleiberecht und LEA Watch eine aktive Zivilgesellschaft gibt, wurde das dortige Regierungspräsidium (RP) immer wieder auf den Widerspruch zwischen Zimmerkontrollen und dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung hingewiesen. Das RP sagt dazu, die Zimmerkontrollen würden grundsätzlich auf Freiwilligkeit beruhen. Wenn BewohnerInnen die Zimmerkontrolle verweigern, so das RP, werde "nach Möglichkeit" und "im Dialog mit den Personen eine Freiwilligkeit hergestellt." Dass die Securities bei den Zimmerbegehungen involviert sind, könnte die Herstellung von Freiwilligkeit noch unterstützen.
Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ist zentral für die Debatte um die Lage der Menschenrechte in den Erstaufnahmelagern. Dass dieses Grundrecht eigentlich auch in Flüchtlingsunterkünften zu gelten hat, hat das Deutsche Institut für Menschenrechte, die unabhängige nationale Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin, in einer Studie schon 2018 hervorgehoben. Auch das Amtsgericht Ellwangen schreibt in einer Verfügung nach dem Polizeigroßeinsatz in der LEA Ellwangen, der bundesweite Hetze ausgelöst hatte, im März 2019: "Bei Gemeinschaftsunterkünften – wie der LEA – sind bei denjenigen Räumen, die einzelnen Menschen zu Wohnzwecken zugewiesen sind, diese Menschen als Wohnungsinhaber zu sehen."
In der LEA Freiburg ist es allerdings nicht weit her mit der Unverletzlichkeit der Wohnung. Die Geflüchteten haben beispielsweise keinen Anspruch auf einen eigenen Schlüssel für ihr jeweiliges Zimmer. Die regelmäßigen Kontrollen dieser Zimmer wären zur unmittelbaren Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben sicher zu rechtfertigen, nicht aber, wenn sie mehrmals in der Woche stattfinden und, wie es in der Hausordnung heißt, zur "Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung (insbesondere Belegungs-, Zimmer-, und Hygienekontrollen usw.)".
4 Kommentare verfügbar
Karl P. Schlor
am 09.07.2021gilt, die ja noch nicht Bürger der Bundesrepublik sind, denn man kann sich nicht vorstellen, daß
der Parlamentarische Rat dies auch für solche vorsah, die lediglich als "Bewohner des Bundesge
bietes" zu…