So entstand ein Zerrbild des Kandidaten Pantisano, dem dieser am Ende nichts mehr entgegensetzen konnte. Als Pantisano schließlich in der für Konstanz so wichtigen Frage, wie viele neue Wohnungen die Stadt braucht und wie das alles mit den Klimaschutzbemühungen einhergehen soll, unklar blieb, war es um ihn geschehen.
Die Angst besiegte den Mut: Das im Kern immer noch sehr bürgerliche Konstanz schreckte vor der eigenen Courage zurück. Und machte dann mehrheitlich das Kreuzchen doch lieber bei dem konservativen Uli Burchardt. Der holte im zweiten Wahlgang fast 7.000 Stimmen mehr als im ersten Wahlgang. Die Wahlbeteiligung, die bei früheren OB-Wahlen um die 40-Prozent-Marke dümpelte, stieg auf 61,4 Prozent. Nichts mobilisiert Wählerinnen und Wähler so gut wie die Angst vor ungewollter Veränderung. Und der Linken. Nach der Wahl fragte der Südkurier ernsthaft: "Wie hätten Pantisanos Unterstützer wohl reagiert, wenn in diesem Wahlkampf ein Bewerber aufgetreten wäre, der AfD-Mitglied ist und im Büro der Bundesvorsitzenden Alice Weidel gearbeitet hätte?"
Tatsächlich standen mit dem Stadtplaner Luigi Pantisano, Kind italienischer Gastarbeiter mit bemerkenswerter Aufstiegsgeschichte, einerseits und dem erfahrenen Amtsinhaber Uli Burchardt aus gutbürgerlichem Elternhaus andererseits zwei verschiedene Politikentwürfe zur Wahl. Angetrieben von Klimaschutz und der Vision einer solidarischen Gesellschaft wollte der 41-jährige Pantisano den Wandel nach Konstanz bringen. Uli Burchardt, 49, ist da bedächtiger. Zwar ist er auch irgendwie für Klimaschutz, aber vor allem dann, wenn es nicht wehtut.
Alte Gräben aufgerissen
Das Ergebnis zeigt dann auch ganz schön, dass Burchardt offenbar näher an der Mentalität der Stadt liegt als Pantisano: Klimaschutz ist vielen Menschen in der größten Stadt am Bodensee schon irgendwie wichtig, aber ein schönes Leben ohne großen Verzicht den meisten vielleicht doch noch ein bisschen wichtiger.
Wie zukunftsfähig diese Haltung ist, werden die nächsten Jahre zeigen. Acht Jahre, so lange dauern die Amtszeiten für Oberbürgermeister in Baden-Württemberg. Uli Burchardt hat nun die Chance zu beweisen, dass auch seine Vision eines Wandels durch Kontinuität erfolgreich sein kann – für die jetzigen, aber auch für nachfolgende Generationen. Er steht vor einer Mammutaufgabe.
Vor allem, weil die Stadt so gespalten ist wie selten. Der Wahlkampf hat die Gräben zwischen den Lagern vertieft. Hier die eher progressiveren Milieus rund um die Hochschulen der Stadt, dort die Beharrungskräfte einer sehr bürgerlichen Schicht. Das knappe Ergebnis von 49,5 Prozent (20.116 Stimmen) zu 45,1 Prozent (18.319 Stimmen) bildet genau diese Spaltung ab. Auch die Arbeit im Gemeinderat dürfte nicht leichter werden, der raue Ton im politischen Wettstreit hat zu Verletzungen auf beiden Seiten geführt. Es droht politischer Stillstand.
Wenn Uli Burchardt schlau ist, schaut er sich jetzt ein paar Eigenschaften seines Kontrahenten Luigi Pantisano ab. Der konnte auf Menschen unvoreingenommen zugehen, im Gespräch zuhören und sich von Gegenargumenten auch mal überzeugen lassen. Einen solchen Brückenbauer braucht Konstanz jetzt. Sonst werden in acht Jahren dieselben Debatten geführt wie heute.
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