Da haben sich zwei Seiten ineinander verhakt, die es eigentlich gut miteinander meinen. Er könne Frau Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, gut leiden, sagt Wieland Backes, und sie ihn. Dennoch oder gerade deshalb hätten sie sich schon viele hitzige Debatten geliefert. Auf einen grünen Zweig kommen die beiden aber nicht, jedenfalls nicht jetzt, kurz vor Beginn der Diskussionsrunden zur Zukunft des Großen Hauses der Württembergischen Staatstheater. Backes, der frühere SWR-TV-Moderator mit der sanften Stimme kann auch Offensive. Den Bettel hat er hingeschmissen in der vergangenen Woche im Namen seines Vereins "Aufbruch" Stuttgart, weil "nicht einmal die Mindestanforderungen an heutige Standards bürgerschaftlicher Mitwirkung erfüllt sind".
Starker Tobak, den die Staatsrätin nicht auf sich sitzen lassen will. Zumal zum Jahresbeginn, vor Corona, wochenlang verhandelt wurde, um Backes und die Seinen am Tisch zu halten. Damals sei wenigstens noch vorgesehen gewesen, dem Zufallsgremium eine Stadtführung durchs Kulturquartier durch Arno Lederer, Architekt und mit im Vereinsvorstand von "Aufbruch Stuttgart", zu Teil werden zu lassen. Die fällt jetzt flach, weil wegen Corona alle Beratungen virtuell stattfinden. Dasselbe gilt für die zweite ursprünglich vorgesehene Führung, die der "Aufbruch" aber ohnehin nicht so richtig wollte: Die BürgerInnen sollten hinter die Kulissen des Opernhauses schauen dürfen, in beengte Probekammern, auf die betagte Hydraulik oder die uralten Elektrokabel unter dem undichten Dach, und von alledem befürchtete der "Aufbruch" so erschreckende Eindrücke, dass die BürgerInnen dem Vorhaben von Stadt und Land womöglich um einiges weniger kritisch begegnen würden. Immerhin erzielten beide Seiten dann doch noch Einigkeit: Führung gegen Führung. Die Teilnahme des "Aufbruch" am Verfahren schien gesichert.
Zehn Jahre lang 100 Millionen Euro
Durch den Wegfall beider Besuche sieht sich der Verein mit seinen rund 800 Mitgliedern – unter ihnen auch viele S21-Fans – nun der Möglichkeit beraubt, das Kulturquartier gegenüber dem neuen Tiefbahnhof zu präsentieren. Die Idee ist der Gegenentwurf zu den Plänen von Stadt, Land und den Opernverantwortlichen, das Große Haus von Grund auf in Schuss zu bringen und die Zeit der Schließung in einem Interimsbau zu überbrücken. Dafür sollen die SteuerzahlerInnen zehn Jahre lang jeweils 100 Millionen Euro aufbringen – eben jene Milliarde, die so viele Emotionen in der Landeshauptstadt weckt.
1 Kommentar verfügbar
Martha Reiser
am 14.10.20201 Milliarde Euro für ein Opernhaus? Das ist schlichtweg maßlos, obzön und nicht vermittelbar. Es hält keiner Verhältnismäßigkeit stand.
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