Senta kennt die Sätze in dieser oder ähnlicher Form nur zu gut. Sie fallen immer dann, wenn sie ihre psychischen Erkrankungen, allen voran ihre Depression, zur Sprache bringt. Was mitschwingt oder auch mal direkt ausgesprochen wird, ist ein: "Ach komm, so schlecht kann es dir gar nicht gehen!" gern gefolgt von einem "Stell dich nicht so an!"
In den letzten zehn Jahren habe sie auch selbst gedacht, sie habe ihre Erkrankungen gut im Griff: "Und dann haben sie mich wieder eingeholt." Nicht nur deshalb sei es ihr nun wichtig, das öffentliche Bild, das über psychische Erkrankungen und vor allem über die Erkrankten selbst vorherrsche, zu korrigieren.
Die 36-Jährige ist motiviert durch die zahlreichen Rückmeldungen, die sie bekommen hat, seit sie die Idee, ein Fotoprojekt für mentale Gesundheit, in den sozialen Medien veröffentlicht hat. "Ich war fast erschlagen davon, wie viele Reaktionen da kamen, wie groß die Resonanz war, wie viele mitmachen und sich mit ihrem Gesicht in die Öffentlichkeit stellen wollen." Das habe ihr nicht nur gezeigt, wie wichtig die Thematik sei, sondern sei auch ein "krasser Vertrauensbeweis" an sie gewesen, die viele der ProjektteilnehmerInnen vorher gar nicht persönlich gekannt hätten. "Der erste Satz war dabei ganz oft: Wie schön, dass ich nicht alleine bin." Auch für sie selbst sei das die hauptsächliche Erfahrung gewesen, die das Projekt ausmache: das nicht allein sein, eine Art Gemeinschaft finden, bestehend aus Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und einem wirklich zuhören, wenn man etwas auf dem Herzen habe.
Ein Projekt, um der Unsichtbarkeit zu entrinnen
Generell in der Gesellschaft sei das selten. Neben den bereits geschilderten Reaktionen gäbe es auch häufig einen, irgendwie vielleicht auch gutgemeinten, Aufmunterungsversuch: "Ach, das kenne ich auch. Das wird schon wieder!" Auch diese Reaktionen verhinderten oft ein tatsächliches Zuhören oder ein Eingehen auf das Gesagte, lenkten sie doch den Fokus weg von dem, der gerade seine Situation schildere, hin zur Ich-Perspektive des eigentlichen Zuhörers. Sie zögert kurz, entschuldigt sich vorab für die Ausdrucksweise, die folge und schildert dann: "Solange du keinen Selbstmordversuch hinter dir hast, wirst du nicht ernstgenommen."
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