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Das Beste draus machen

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 Fotos: Joachim E. Röttgers 

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Was tun, wenn die Ausstellungseröffnung flachfällt? Das Stadtpalais hat die Eröffnung der Fotoausstellung "Urban Beauties – der andere Blick auf Stuttgart" kurzerhand ohne reale Zuschauer per Instagram eröffnet. Mit Spaß. Und Erfolg.

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Derzeit klingt all das, was vor ein paar Tagen passierte, wie aus einer anderen Epoche. Es war am Donnerstag vergangener Woche, in Bayern war noch kein Katastrophenfall ausgerufen worden, die Bahnen noch voller und die Kultur lag noch nicht brach, da stand Jürgen Altmann mit einem knappen Dutzend Menschen im Ausstellungsraum des Stadtpalais und sagte mit zusammengekniffenen Augen: "Ja, das ist alles beschissen." Dann hält er sich eine Hand vor den Mund: "Scheiße darf ich nachher live nicht sagen, oder?"

Jürgen Altmann, 56, ist Mode- und Werbefotograf. Er arbeitet unter anderem für L'Oreal und Hugo Boss, hat eine Weile in Paris gelebt und zog dann mit seiner Familie nach Stuttgart. Bisher nutzte er Stuttgarter Stadtansichten und urbane Situationen wie Parkplätze, Bahn-Haltestellen oder Hochhaussiedlungen immer nur als Hintergrund. Im Stadtpalais widmet er seinen "Urban Beauties" nun eine ganze Ausstellung. Seine Fotografien sind bunt und ruhig, und als hätte er die Pandemie vorausgesehen, meistens völlig menschenleer.

Seit zwei Jahren war klar, dass er in Stuttgarts Stadtmuseum seine Fotografien zeigen wird, seit einem halben war die Ausstellung geplant, zur Vernissage kommen wollten um die 250 Leute. Eingeladen ist auch Christian Gögger, künstlerischer Leiter des Kunstvereins Esslingen, für eine Laudatio. Tage vorher habe man noch Witzchen gemacht, und jetzt das. Er hebt die Schultern.

"So eine seltsame Situation hatte ich im Leben noch nicht", sagt Torben Giese, Direktor des Stadtpalais. Am Mittwoch sei klar gewesen, dass die Bilder-Schau im kleinen Saal im Erdgeschoss ohne Zuschauer eröffnet werden muss, Giese hatte "so ein richtiges Tief" – und war erst mal spazieren, um sich ein bisschen zu grämen. Altmann auch. Bis Giese ihn anrief und vorschlug: "Da machen wir jetzt das Beste draus".

Um kurz vor 19 Uhr also steht ein knappes Dutzend Leute im Saal, mucksmäuschenstill, den Blick nicht auf die Fotos gerichtet, sondern aufs Telefon, Instagram läuft schon. Ein junger Kerl hält ein Smartphone samt Mikro für den Stream bereit, Giese und Altmann stehen an einem Tisch mit Sektkübel und prosten einmal ins World Wide Web – los geht’s. "Hoffe, Sie zuhause haben sich auch einen Sekt geholt", sagt Giese. 55 Zuschauer schauen den Stream. Einer schickt von daheim eine Wolke voller Herzchen durchs Bild, eine Zuschauerin postet Emojis mit Sektgläsern – "Prost!", "Tolle Bilder!", "Nice!"

"Können Sie was zu den Fotos sagen?", fragt einer im Chat, und Giese und Altmann schreiten die Bilder ab, jedes einzelne, manchmal fährt das Smartphone dicht über die Bildoberfläche, um den Zuschauern Details zu zeigen. Und weil die so viele ihre Fragen in den Chat schicken, hält eine Mitarbeiterin regelmäßig einen Zettel hoch auf dem groß und schwarz "Frage" steht. Damit alle mal kurz leise sind. "Welches Bild war am schwierigsten zu fotografieren?", will einer wissen. "Ah, gute Frage!", sagt Altmann und zeigt auf ein schmuddeliges Hafenbecken. Davon habe er nie ein gescheites Foto hinbekommen, läge vielleicht am Hafenwasser.  Aber dann, im Winter vor zwei, drei Jahren wusste er: "Wenn das Wasser gefriert, dann ist das meine Chance." So war’s denn auch.

Wenig später ist Gögger aus Esslingen dran, etwas ungewohnt alles, sieht man ihm an, aber nach ein paar Sätzen ist die Unsicherheit verflogen. Läuft. 99 Leute im Stream, dann mehr als 100, um zehn vor acht ist Schluss. Kurze Stille, durchatmen, alle grinsen. 537 ZuschauerInnen haben sich insgesamt die Eröffnung angeschaut, der eine länger, die andere kürzer, mal verschwand einer, dann kamen andere neu dazu. Fotograf Altmann lächelt zufrieden. Gögger schaut nachdenklich: "Die Dimension ist mir erst jetzt klar. Das ist natürlich sehr interessant", sagt er. Und Torben Giese, der Stadtpalais-Direktor, kann sich kaum halten: "Das – war – super!", sagt er beschwingt. "Das machen wir jetzt öfter."


Hier gibt es die Ausstellungseröffnung als 15-Minuten-Insta-Video zu sehen.


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