Die eine oder andere Dame gönnt sich noch ein Sektchen, das am Saaleingang bereit steht, und als es an diesem Novembernachmittag auf halb vier zugeht, zieht es auch die letzten – mit oder ohne Gehhilfe – in den Festsaal, wo andere schon geduldig warten. Die Stuhlreihen sind dicht besetzt, flugs schiebt eine Pflegerin noch einen Herrn im Rollstuhl in die letzte Reihe. Gespannte Stille herrscht im hellen, weiträumigen Festsaal des Seniorenzentrums Martha-Maria im Stuttgarter Norden. Gleich beginnt das Konzert.
Ein paar Menschen in Rollstühlen scheinen zu schlummern. Aber die meisten der gut 60 Ohrenpaare sind gespitzt, warten auf den ersten Ton. Und dann füllt sie langsam den Raum: diese warme, anrührende Stimme der Klarinette. Stolz gleitet der berühmte "Schwan" von Camille Saint-Saëns dahin, getragen von sanft plätschernden Wellen, die tonmalerisch aus dem Flügel strömen. "Wunderbar!", raunt eine alte Dame in der ersten Reihe, als der letzte Ton des kurzen Stücks verklungen ist.
Dass dieses Konzert stattfinden kann, verdankt sich der Arbeit des Stuttgarter Vereins "Yehudi Menuhin – Live Music Now" (LMN). Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Musik zu denen zu bringen, die nicht mehr selbst in Konzerte gehen können – entweder weil sie zu alt und gebrechlich oder schwer krank sind, oder weil sie Haftstrafen zu verbüßen haben: LMN geht in Altenheime, Hospize und Gefängnisse. Der Verein hat sich ein Zitat seines Namensgebers Yehudi Menuhin auf die Fahne geschrieben: "Musik heilt, tröstet und bringt Freude".
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