Während der Affenzirkus der Schönen und Reichen auf Sylt immerhin in atemberaubender Landschaft stattfindet, wirkt das maritime Interieur und Thema des Stuttgarter Ablegers wie eine Mottoparty für Menschen, die glauben, dass mit Geld auch Geschmack gekauft werden kann. Das einzige was wirklich "nordischen Charme" versprüht ist der Fischgeruch, der sich abwechselnd mit Zigarillo-Schwaden in die Nebenhöhlen brennt. Der Laden brummt. Während sich im Innenbereich Highperformer in Business-Anzügen Namensschilder bei einem Vernetzungs-Dinner anstecken, tummelt sich im Außenbereich die Stuttgarter Schickeria auf dem betonierten Sonnendeck. Man duzt sich.
Das Publikum: immer ein bisschen geiler als die anderen
Auch auf ihrer Facebook-Seite gibt sich die Beton-Strandbar betont jugendlich, wenn es in einem Post heißt: "Thank god it's Friday! Wie wäre es dann jetzt mit einem guten Glas Wein in entspannt-elegantem Ambiente?! Wem prostest du zu?" Hmm, "Wenn ich mich so umsehe, am liebsten mir selbst!", möchte man darunter posten. Aber hey: Alles easy hier. Alles entspannt. Einfach mal durch die cremefarbene Ralph Lauren Chinohose atmen.
Ob es sich bei den Gästen um richtig dicke Goldfische oder um Harald-Glööckler'schen Teleshop-Adel handelt, lässt sich schwer sagen. Gemeinsam ist dem Publikum jedenfalls eine Attitude, die bei zufälligem Augenkontakt telepathisch die Worte "Ich bin einfach ein bisschen geiler als du" übermittelt.
Aber das ist okay. Für € 7,90 sorgt die erste Gucci-Getto-Bowle aus Sekt, Erdbeeren und Minze dafür, dass sich auch die Holzklasse ein bisschen geil fühlt. Nach der zweiten Bowle empfiehlt sich ein Wechsel auf einen süffigen White Wine Spritzer für € 4,50. Spätestens jetzt kommt Heißhunger auf. Auf Currywurst mit Pommes für 12 Euro zum Beispiel. Oder auf rustikale Burger mit Krautsalat für 29 Euro. Oder auf Pommes mit Trüffel und Parmesan für € 8,90. Die stehen zwar nicht auf der Karte, sind aber sowas wie Spätzle with Soß': obligatorisch in jedem swabian Restaurant. Sicher, wer sich's richtig royal gönnen will, der ordert in der Sansibar das Porterhouse Steak für 85 Euro oder die 125-Gramm-Dose Oscietra-Kaviar für 312 Euro und schüttet sich für ein paar Hunderter Champagner hinter die Binde. Trotzdem findet sich auf der Karte auch Bodenständiges wie Kaiserschmarrn – 14 Euro. Exakt hier offenbart sich auch der Grund des maximalen Ekelfaktors dieses Etablissements: Das Klunker-Klientel möcht zwar ein bisschen posher sein, als der Rest der Menschheit – aber trotzdem nicht auf Workingclass-Essen wie Currywurst, Burger und Pommes verzichten.
Das Essen: eine Pommes-Offenbarung
Anstatt einfach zum Brunnenwirt am Leonhardsplatz, zu Udo Snack oder zur Frittybar in Stuttgart-Mitte zu laufen, um sich für eine Hand voll Euro stilecht eine Ladung Mampf zu besorgen, will der Sansibar-Schmock das After-Work-Clubfeeling dazu kaufen. Betreibt Cultural-Wurst-Appropriation in maritimem Club-Ambiente. Zugegeben, die Trüffel-Pommes sind der Hit. Wirklich. Die herzhaft nussige Note des Königs der Pilze zusammen mit riesigen abgehobelten Parmesan-Stückchen hieven die profanen Kartoffel-Schnitzchen auf ein nie zuvor erschmecktes kulinarisches Level. Fairerweise muss auch erwähnt werden, dass der Sansibar Gründer und schwäbische Sylt-Exilant, Herbert Seckler, tatsächlich ein Working-Class Hero ist und eine Affinität zu bodenständiger Nahrung hat. Zumindest könnte das mal so gewesen sein, als er in den 1970ern aus einer Bretterbude am FKK-Strand zwischen Rantum und Hörnum eine international bekannte Gourmet-Institution erschuf.
7 Kommentare verfügbar
Leo Trotzke
am 19.06.2017benedikt blomeier
am 19.06.2017Klaus M.
am 18.06.2017Helga Stöhr-Strauch
am 18.06.2017Andrea H.
am 15.06.2017Bernd Behnk
am 16.06.2017welches Menschenbild und welche Intentionen treiben sie hier an, "Menschen die ihren Wohlstand zelebrieren" unter Welpenschutz zu stellen, und die, erfreulich bissige Reportage mit hohem Satireanteil, als "flaches und missgünstiges Ablästern über Menschen" zu degradieren? Ich denke sie vewechseln hier berechtigte Kritik an dem "Gesamtkunstwerk DQ", bestehend aus Finanziers, Planern, Erbauern, Betreibern, sowie den schwäbisch dekatenten, meist neureichen Usern, Konsumenten und den obligatorisch diese, wie Chemtrails [ vorsicht SATIRE ] begleitenden Flaneure, mit der Machart eines Emissionsprospekts für Anlagezeichner.
Auch nicht zu vergessen: die berechtigte breitbandige Kritik der Anwohner an der ganz eigenen "Ästhetik" und Akustik dieses architektonischen Bauwunders daselselbst.
Genau diese, durchaus kritisch-satirische Berichterstattung ohne überflüssigen Bierernst oder gar Sozialneid, zeichnet die KONTEXT Wochenzeitung doch regelmässig und erfreulicherweise aus. Investoren und beleidigtem Geldadel bleibt ja als Ausweichmöglichkeit noch die Lektüre der üblichen Finanzblätter und Hofberichterstatter, oder ein wenig Kaviar essen und Juwelen Gassi führen im doch so noblen DQ.
Aber "Schweigen" hierüber anonym ["H."?] als "Gold" zu verkaufen, widerspricht freiem Journalismus geradezu in diametraler Weise und an hofberichterstattenden "Jubelpersern" hat das DQ ja keinen Mangel.
Honi soit qui mal y pense!
Bernd Behnk
am 14.06.2017Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass es viele Stunden, oder gar Tage dauern würde, die Konten und Börsen der neureichen Stuttgarter "Hautevolaute" zu entleeren, wenn die Currywurst, wie z.B. bei CURRY 36 [eine der besten in Berlin] nur 1,60 Euronen kosten würde. Das Klappt dann mit Oscietra-Kaviar für 312 Euro doch deutlich schneller und es kommt noch nicht einmal Sozialneid auf. (Welcher ALG II-er hat schon Bock auf Oscietra-Kaviar.) Deshalb lässt es sich guten Gewissens auf dem Doro-Cat-Walk flanieren, mit der "Rolex Oyster perpetual mit Diamanten" Gassi gehen und dabei mit Seinesgleichen über den Stuttgarter Immobilienindex oder das Wetter plaudern. Darum geht es doch.