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Echt fies hier

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Wo findet man eigentlich den Österreichischen Platz? Die Stuttgarter Initiative "Stadtlücken" hat sich auf die Suche gemacht. Und stellt einmal mehr die Frage nach einer lebenswerten Stadt.

Rosensteinpark. So steht es auf der großen weißen Tafel unter der Frage "Wo ist ihr Lieblingsort in Stuttgart?" Marienplatz hat einer dazugeschrieben. Und Waggons am Nordbahnhof. Bernd Engelmann, ITler, 54 Jahre alt, steht mit wilden grauen Haaren am Österreichischen Platz in der Innenstadt und schreibt Fernsehturm auf die Tafel. Weil der sich so schön grazil aus Stuttgarts Randbewaldung erhebe und Engelmann immer, wenn er von auswärts nach Hause fährt und den Fernsehturm sieht, denkt: "Hach. Daheim." Mehr als 15 Jahre hat er hier um die Ecke gewohnt. Über ihm spannt sich die mehrspurige Stadtstraße zu einem raumgreifenden Kreisverkehr mit Loch in der Mitte. Unten vereinigen sich eine düstere Ecke, die Tübingerstraße und ein Parkplatz mit Schranken, Trennpfosten und Parkautomaten – zum Österreichischen Platz. "Das ist der hässlichste Platz, den ich je im Leben gesehen habe", sagt Engelmann. "Echt fies hier."

Simon von den Stadtlücken nennt ihn "den Ort, der den Wahn der autogerechten Stadt trifft, wie der Nagel auf den Kopf." Der Ort, der Stuttgarts bürgerferne Fehlplanung illustriere wie kein anderer. Er hämmert noch ein letztes Hölzchen an eine Bretterbude, den "Souvenirstand". Feuerzeuge baumeln da in Plastiktüten, Bierdeckel, Schlüsselanhänger mit "Österreichischer Platz" bedruckt, alles "Zeug, dass sich verteilt". Alternatives Marketing für einen Ort, der aus dem Stadtgedächtnis getilgt sei, sagt Simon, 30 Jahre alt, Stadtplaner, weil man sich einen Platz, auf dem man kaum etwas machen, halt einfach nicht merkt. Gemütlich drauf sitzen oder drum rum spazieren, ist hier nicht. "Das einzig Gemächliche sind die Stauzeiten, zu denen die Autos im Kreisverkehr warten und warten", schreibt einer im Internet.

Es ist ein Un-Ort, wie es ihn in großen Städten viele gibt. Eine Transit-Zone, nicht nutzbar für die Stadtbewohner, fast nur für Autos, und das auch noch zweistöckig. Ein Musterbeispiel für das, was die MitgliederInnen der Initiative Stadtlücken suchen: Soziale, zeitliche, räumliche, bauliche Lücken, die nicht benutzt werden können, dürfen oder wollen. Um sie zu schließen.

Mit Aktionen, wie einer Lichtinstallation, mit Diskussionen oder dem Souvenirstand, der seit einigen Tagen am Österreichischen Platz steht, wollen sie die Leute miteinander ins Gespräch und zum Nachdenken bringen über die Stadt, in der sie leben. Wie könnte man sie besser nutzen? Wo muss man sie schützen? Oder vielleicht zurück erobern? Der Österreichische Platz sei eine "Wissenslücke", sagt Simon. Wer bestimmt, was darauf geschieht? Die Stadt? Eine Parkplatzvermietung? Die BürgerInnen?

Sicher ist: Er ist das Einfallstor zu Stuttgarts glänzendem Stadtkern. Einstmals gesegnet mit einer Tankstelle, die Säufer mit Alkohol, die Drogenszene mit einem Klo und genügend Nachschub versorgte. Bis die Stadt die Tanke abreißen ließ, um die Junkies zu vertreiben. Das ist die profane Seite der Historie. Der ruhmreiche Moment fand wohl 1957 statt, als eine österreischischen Delegation die Landeshauptstadt besuchte, der zu Ehren man diesen Platz den "Österreichischen" nannte.

Plätze sind historisch betrachtet sowieso immer eine ehrenvolle Angelegenheit – siehe berühmte Vertreter wie die Agora in Griechenland, den Petersplatz von Bernini in Rom. Und obwohl viel kleiner, hat es auch der Österreichische Platz zu bundesweiter Berühmtheit gebracht. Für die "Welt am Sonntag" schrieb Dankwart Guratzsch, Architekturkritiker und Kuratoriumsmitglied der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, vor drei Jahren über Plätze im allgemeinen. Titel: "Was die Bomben nicht schafften ...". These: ... vollendeten uninspirierte Stadtarchitekten.

Plätze seien mal "Bühnen bürgerlichen Lebens, Foren politischer Meinungsbildung und Artikulation" gewesen, schwärmt der Autor. Orte, an denen eine Stadt zeigte, "was sie zu bieten hatte. Ein Wettstreit der schönsten Fassaden, der prunkvollsten Erker, der steilsten Türme." So war's ganz früher und der Idealfall, befindet Guratzsch gegen Mitte seines Artikels, um dann über die Zerstörung nach dem Krieg den Bogen in die Neuzeit zu spannen. Deren Planer hätten viele Plätze teils mit "maßstabslosen Riesenkreiseln" überbauten und somit "den Stolz der Stadt zum Autobahnkreuz degradierten". Seine beiden Beispiele: "Ernst-Thälmann-Platz in Halle, Österreichischer Platz Stuttgart." Das seien "stadtplanerische Verbrechen".

Ähnlich Verbrecherisches, schreibt ein Stuttgarter Blogger, gebe es nur in Gießen: Eine Betonplattform für Fußgänger, Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt, mit Blick durch drei große Löcher auf die Straße darunter, ganz ähnlich der Konstruktion in Stuttgart und entstanden Ende der Sechziger unter dem Edikt der autogerechten Stadt. Irgendwer hat das Betonteil zur Einweihung "Elefantenklo" getauft, der Name ist bis heute geblieben. Im Juni 2014 verpasste die Stadt dem Ganzen eine Wasserinstallation. Jetzt habe das Elefantenklo sogar eine Spülung, witzeln die Gießener.

"Man sagt ja, Stuttgart sei hässlich", sagt Simons Stadtlücken-Kollegin Valerie, 31 Jahre alt und Innenarchitektin. "Dabei könnte es so schön sein. Die Hänge, der Neckar. Das Potenzial wird nicht ausgeschöpft." Sabine, 24, Architekturstudentin, fügt hinzu: "In Stuttgart wird zu viel auf einmal versucht, Fahrräder, Autos, Fußgänger, Nahverkehr, an allem wird ein bisschen rumgedoktert." – "Und das in einer Stadt mit drei Architekturhochschulen!" wirft Simon ein und rollt die Augen auf zwölf.

Dabei mangelt es nicht an frischen Ideen. Jedes Jahr schreiben Studierende Arbeiten, die sich mit der Stadtentwicklung befassen. 2015 päsentierten zwei davon ihre Masterarbeiten in einer Ausstellung, anstatt sie einzumotten. Sie zeigten Stadtpläne mit eingezeichneten Punkten - Freiräume, Lücken, ungenutzter und ungebrauchter Platz, der nur darauf wartet, bespielt zu werden. Seitdem gibt es die Stadtlücken, rund zwei dutzend angehende Architekten, Designer, Künstler, Stadtplaner. Sie alle sammeln Vorschläge, Ideen, Pläne und Konzepte, um Stuttgart lebenswerter zu machen.

Eine Frau mit quietschgrünen Blumen auf der Strickmütze kommt vorbei. Der Österreichische Platz liegt auf dem Weg zu ihrer Kirche. "Da könnte man doch ganz toll kleine Flohmärkte machen, oder einen Markt für arabische Gewürze", sagt sie, "mit netten kleinen Häuschen, die man mieten kann, um Dinge zu verkaufen!" Dann seufzt sie. "Die machen bestimmt wieder ein Geschäft mit den Häuschen."

Das sei sowieso eines der größten Probleme Stuttgarts, sagt Simon. "In der Stadt wird zu viel verkauft an den Höchstbietenden." In diesem Falle vermietet, an die Parkplatzvermietung Apcoa Parking. "So ein Platz sollte für Menschen da sein, nicht für Autos." 

Simon hält einen Schal in die Höhe. "Wem gehört die Stadt?" steht drauf. Ja wem gehört sie? Den Investoren, den Politikern? Der Stadtverwaltung? Die Stadtlücken beantwortete die Frage mit einem Foto auf ihrer Homepage: Ein Häuserblock in ockergelb-versifft, auf dessen Fassade einer fett und schwarz "Die Stadt gehört uns allen!" gesprüht hat.

Info:

Mehr zu den Stadtlücken gibt's <link http: www.stadtluecken.de _blank external-link>unter diesem Link.


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2 Kommentare verfügbar

  • Horst Ruch
    am 20.10.2016
    Antworten
    .....Plätze zu reinen Verkehrsknoten degradiert, zum Teil mit historisch einprägsamen Namensgebern versehen, sind einem Provinznest, geschweige einer Landeshauptstadt unwürdig. Liebe Stadtväter mit eurem internationalen Komplex, streicht das Wort .....Platz und setzt dafür.....Kreuzung auf die…
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