In einer pathetischen Rede anlässlich des 125. GEA-Jubiläums 2013 in der Festhalle Reutlingen betont Lehari das überragende Standing seiner Zeitung ("Von Brüssel über New York über Berlin. Von Hip-Hop zu Blasmusik"), die nur aus einem einzigen Grund in Zukunft Probleme bekommen könnte: "Wenn es keine fairen Wettbewerbsbedingungen [mehr] gibt." Den Applaus am Ende widmet er seiner Familie und der Zeitungs-Belegschaft. In der Jubiläumsausgabe brüstet sich der GEA mit seinen zahlreichen freien MitarbeiterInnen sogar in einem eigenen Artikel ("Sie düsen von Termin zu Termin") und rühmt ihren unermüdlichen Einsatz für die geilsten GEA-Stories – denn "Freie sind mit Kreativität und Herzblut bei der Sache". Wow. Was muss es für einen Freien Schöneres geben, als in Leharis Laden arbeiten zu dürfen?
Martin Schreier würden da ein paar Dinge einfallen. Der 47-Jährige hatte bis 2014 über zehn Jahre das Vergnügen. Nach seinem Volontariat beim GEA wurde er hauptberuflich freier Journalist. Schrieb für den GEA zahlreiche Nachrichten und Berichte. Aber auch Porträts, Reportagen, Kritiken und Kommentare. Produzierte regelmäßig Fotos und Bildstrecken. Bekommen hat er dafür nicht einmal das Mindesthonorar – und das betrifft nicht nur ihn. Für die Textgattung Kommentare hätte der GEA laut Schreier beispielsweise 1,02 Euro pro Zeile zahlen müssen. Honoriert habe er aber nur 62 Cent pro Zeile. Für vierspaltig abgedruckte Bilder wären 40 Euro fällig gewesen. Der GEA habe aber bis Dezember 2012 lediglich bis zu 23,01 Euro gezahlt und danach bis zu 30 Euro. Für Bildstrecken mit mindestens 20 Bildern habe es pauschal 50 Euro gegeben. Also 2,50 Euro pro Bild.
Jahrelang verstieß der GEA gegen die rechtlich bindenden Vergütungsregeln, die eigentlich dafür sorgen sollen, dass freien Journalisten ein angemessenes Honorar für Text und Bild bezahlt wird. Ausgehandelt haben die Vergütungsregeln die Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union (dju) der Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) zusammen mit dem Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Als Mitglied des BDZV verpflichtet sich der GEA, sie anzuwenden. Hat er aber nicht. Dabei ist Verleger Lehari sogar Vorsitzender des Südwestdeutschen Zeitungsverlegerverbands (VSZV) und bringt seine "schützenden Hände" als Vizepräsident des Europäischen Zeitungsverlegerverbands (ENPA) zum Einsatz. Für einen "leidenschaftlichen Lobbyisten", der mit "Kopf, Herz, Bauch und Mut" für die Zukunft der Gesellschaft einsteht, wie Troebs seinen Chef porträtiert, ist das ein Fleck auf dem Superman-Cape.
3 Kommentare verfügbar
Schwabe
am 05.06.2016Dieses anschauliche und grundsätzliche Beispiel der Doppelmoral von Menschen in führenden bzw. verantwortlichen Positionen - sogenannte Führungskräfte (bis hinunter zur untersten Führungsebene mit Personalverantwortung) findet sich heutzutage flächendeckend in allen Bereichen wo Menschen arbeiten.
In der "marktkonformen (kapitalorientierten) Demokratie" werden Menschen der Gattung Valdo Lehari jr. geradezu herangezüchtet und sie selbst sind auch noch stolz auf ihr handeln (und vor allem auf ihr durch anderer Leute Arbeit angehäuftes Privatvermögen.
Im Grunde müssten Unternehmen nicht Arbeitgeber sondern Arbeitskraftnehmer heißen und lohnabhängig Beschäftigte nicht Arbeitnehmer sondern Arbeitskraftgeber. Denn Privatvermögen häufen sich nicht die lohnabhängig Beschäftigten an sondern die sogenannten Führungskräfte mit Personalverantwortung (was m.E. heutzutage gleichzusetzen ist mit "Personalunterdrückung").
Gerhard Reischmann
am 01.06.2016Respekt ist auch "Kontext" zu zollen, das diese traurige Geschichte groß darstellt.
Gerhard Reischmann, Bad Wurzach
Demokrator
am 01.06.2016