Auch Zaungäste dürfen ja gratulieren, wenn sie von Nachbars Geburtstag erfahren. Und so werfe ich gerne einen Stein in den Vorgarten der Evangelischen Akademie in Bad Boll, die in diesen Tagen auf stolze 70 Lenze zurückblicken darf. Das benachbarte "Stückle" mit einem Stein zu bewerfen kommt im Schwäbischen übrigens einer Liebeserklärung gleich, doch dies nur nebenbei. Als katholischer Betriebsseelsorger fühlte ich mich über 40 Jahre lang in Bad Boll, vor allem in der Industrie-Abteilung, trotz des anderen Gesangsbuchs fast wie zu Hause. Daher, altes Haus: Glück und Segen zum 70. Geburtstag.
Es war ja vor allem die den Kirchen fremde Arbeitswelt, die den legendären Gründungsvater Eberhard Müller umgetrieben hatte. Aus der Geschichte weiß man: Nur einige Lichtgestalten in den Kirchen hatten damals den gesellschaftlichen Umbruch zur Zeit der Industrialisierung wahrgenommen, waren aber weitgehend damit allein geblieben. In der katholischen Kirche reden wir in diesem Zusammenhang von einem bis in unsere Zeit hinein noch fortwirkenden Skandal. Dem Proletariat in seiner elenden Verfassung die befreiende Botschaft Jesu Christi vorenthalten zu haben ist ein starkes Stück. Es erfordert "Wiedergutmachung". Die Erfindung der Betriebsseelsorge bei uns und der Industrie- und Sozialpfarrämter bei unseren Geschwistern mag auch diesem Skandal geschuldet sein.
1 Kommentar verfügbar
invinoveritas
am 09.09.2015Einen, den nicht Hass und Feindbildpflege antreiben, nicht wahnhafte Verschwörungstheorien und Entlarvungsgelüste, sondern warmherziges und konkretes…