"Nicht um Himmels willen", sagt der Herr mit dem Silberhaar. Der Himmel habe damit wenig zu tun. Für ihn ist es nur ein konsequenter Schritt. Barner ist einer der wenigen Wirtschaftsmänner – darunter der Babynahrungshersteller Claus Hipp und der Schuhhändler Heinrich Deichmann –, die sich als Manager öffentlich zu ihrem Glauben bekennen. Immer habe er dafür plädiert, dass die Wirtschaft entsprechende Aufgaben wahrnehmen muss. "Das habe ich wörtlich genommen und gesagt, den Kirchentagspräsidenten, den mache ich", sagt Barner mit dieser bedächtigen Stimme. So redet einer, der weiß, dass seine Wünsche erfüllt werden, auch ohne dass er die Stimme erheben muss.
Der Gute unter den Bösen?
Konzentriert und aufmerksam sitzt er an dem schlichten Resopaltisch, der Zwirn so fein wie der Herr, das Haar sorgsam frisiert, die Gesten so zurückhaltend wie die Stimme, ein schmaler Mann mit der Ausdauer eines Marathonläufers. Ein kluger Mann wie Barner weiß, dass sich viele fragen, wie dieser Spagat zu schaffen ist: zwischen Wirtschaft und Kirche, zwischen Geld und Glaube. Zwei Hüte hat er nun auf, und Kritik gibt es an beiden. Da ist die Pharmaindustrie, die mit der Gesundheit der Menschen ihr Geld macht – und das mit nicht immer feinen Methoden. Das weiß man spätestens seit Wolfgang Schorlaus Bestseller "Die letzte Flucht". Da ist die evangelische Kirche, die nicht immer nach dem Gebot der Nächstenliebe handelt, wie die Missbrauchsvorwürfe gegen die Evangelische Brüdergemeinde in Korntal zeigten. Eine konfliktreiche Doppelbelastung also.
Zeitlich ist das für ihn kein Problem. Andreas Barner ist einer, der die protestantische Arbeitsmoral nicht nur verinnerlicht hat, sondern auch lebt. Morgens um sechs sitzt er schon mal an seinem Schreibtisch, weil da keiner anruft und er sich strikt verbietet, in seine Mails zu schauen. In diesen frühen Morgenstunden, wenn andere noch nicht einmal denken können, arbeitet er sein Pensum ab. Ein Arbeitstier vor dem Herrn sei er, hat die "Wirtschaftswoche" einmal geschrieben. Nun, zum Endspurt des Kirchentags, beginnen seine Morgen noch etwas früher, und die Abende dauern noch etwas länger. Aber die Nummer eins bei Boehringer scheint das nicht zu stören. "Wenn man morgens um halb vier aufsteht, um einen Berg zu bezwingen, ist man auch nicht im Stress", sagt der leidenschaftliche Bergsteiger. Barner tut, was er tut, gerne. Nicht um Himmels, sondern um seinetwillen.
Dazu gehört auch der Job in der Pharmaindustrie. Viele Jahre als Leiter der Forschungsabteilung, seit 2009 als Sprecher der Unternehmensleitung. "Der Glaube ist ein Wertekanon für das, was ich mache", sagt der Chef des Ingelheimer Medikamentenherstellers. "Er möchte der Gute unter den Bösen sein", sagt die Pharmakritikerin und Ärztin Christiane Fischer von der Dritte-Welt-Organisation Buko Kampagne. Über dieses zweifelhafte Lob hat sich Barner schon vor Jahren geärgert.
Zwei Welten, zwei Hüte
Aber was ist ethisch daran, mit Scheininnovationen das Gesundheitssystem auszuplündern? "Das war früher so, in den 80er-, 90er-Jahren," hält er dagegen. Welchen Wertekanon vertreten Firmen, die ihre Pharmavertreter ausschicken, damit sie Ärzte bestechen, um die Verkaufszahlen ihrer Pillen noch oben zu treiben?
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Ulrich Frank
am 19.05.2015