"Sie müssen mal genau hinschauen, wie toll der ist", sagt Winfried Kretschmann. Er sitzt in seinem Büro im Landtag, schwarze Leder-Couchgarnitur, Schreibtisch, ein Spiegel. In der Hand hält er ein iPhone mit dem Foto seiner neuesten Eigenkreation: ein wuchtiger Gartentisch aus Fichtenholz. Kretschmann zeichnet eine Welle in die Luft. "Abgerundete Ecken, beinfrei, stabil, schwer."
Er lehnt sich ins Leder zurück. "Dieser Gartentisch ist ein wohldurchdachtes Modell", sagt er über die Ränder seiner Brille hinweg. "Sowas können Sie nicht kaufen." Er lächelt zufrieden.
Das Handwerken hat er früh gelernt, so ist er aufgewachsen. Auf dem Land, mit nichts bis wenig und wenn die Familie etwas brauchte, hat sie es selbst gemacht. Selber machen müsste er heute nichts mehr, aber er tut es trotzdem – aus Leidenschaft. Sein ganzes Haus im oberschwäbischen Laiz hat er eigenhändig renoviert. "Das er im innern Herzen spüret, was er erschaffen hat mit seiner Hand", wusste schon Schiller, und die Losung im Südwesten Deutschlands heißt ja bekanntlich "Schaffa, schaffa, Häusla baua" und nicht "Häusla baua lassa".
"Als Schwabe befindet man sich automatisch am anderen Ende der Popularitätsskala", hat Ulrich Kienzle, Journalist und Schwabenkenner, einmal gesagt. Winfried Kretschmann, Herr über 36 000 Quadratkilometer wirtschaftliches Schwungrad Europas, hat dieses Dogma ins Gegenteil verkehrt. So allumfassend beliebt wie er war bisher kaum ein schwäbischer Politiker.
Bundesweit listet ihn das ZDF-Politbarometer auf Platz vier der beliebtesten Politiker, zwischen Frank-Walter Steinmeier auf der Drei und Sigmar Gabriel auf der Fünf. Wo Stefan Mappus und Günther Oettinger landesweit immer irgendwo bei 40 Prozent Zustimmung rumdümpelten, schenken Kretschmann nach Umfragen von Infratest dimap derzeit 70 Prozent der Baden-Württemberger ihr Herz – sogar stramme CDU-Wähler.
Der hilfsbereite Nachbar von nebenan
Olaf Scholz hat das kürzlich geschafft, Stanislaw Tillich, aber das jeweils im Wahlkampf. Einfach anlassfrei so gute Umfragewerte bekommen derzeit nur Kretschmann landes- und Angela Merkel bundesweit hin. Kretschmann sei schon ein Top-Wert, sagt die Sprecherin von Infratest dimap. Zum Politischen Aschermittwoch in Biberach hat ihm einer ein Schild gebastelt und es zweieinhalb Stunden tapfer hochgehalten: der Ministerpräsident mit Krone auf dem Haupt. Der King of BaWü. Mister 70 Prozent. Kürzlich habe er seinem Nachbarn beim Dämmen eines Zimmers geholfen, weil der ein paar Hände mehr brauchte, erzählt Kretschmann. Für diesen schaffigen Nachbar-von-nebenan-Habitus lieben ihn die Leute im Land.
25 Kommentare verfügbar
Tillupp
am 22.06.2015Also über Alexander Bonde (Grüne, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz) habe ich hier schon was kritisches geschrieben gesehen, obwohl ich nicht glaube dass er erst in der grünen Regierung dick wurde. Einfach weiterhin Kontext (und die…