Beste Stimmung an einem Freitagnachmittag in der Krautheimer Birkenallee 6–8. "Das ist eine Fünf", sagt Jasmin, blond, neun Jahre alt, zu Ibrahim Hussein, dunkles Haar, 30. Der klappt artig das "Nummer 5"-Holzklötzchen auf dem Spielbrett um. "Funf", sagt er. "Genau", sagt Jasmin. Im Untergeschoss gibt Gisela Stromer Deutschunterricht, Serdar Mousa, Mohammed Sharif al-Hejazi und Muhammad Kamran sitzen drum herum und diskutieren in Deutsch-Englisch-Arabisch-Kauderwelsch, ob es nun "machst du am Sonntag Frühstück" oder "machst du im Sonntag Frühstück" heißen muss.
Auf der Terrasse der Flüchtlingsunterkunft sitzt Jutta Kobald, heute die Mutter einer selbst organisierten Intergrationsbewegung, die mittlerweile eine Menge Krautheimer erfasst hat. Das war nicht immer so.
Die Birkenallee 6–8 liegt zwischen Einfamilienhäuser mit Holzäunen und Rosenbüschen. Samstags, sagt ein Nachbar, seien die 20 Meter Gehweg vor dem Haus so sauber wie sonst nirgends. "Irgendwer hat unseren Jungs erzählt, was die Kehrwoche ist", sagt er. "Unsere Jungs", das sind acht Syrer und sechs Männer aus Pakistan, zwischen 20 und 40 Jahre alt und seit acht Wochen in Krautheim, einem verschlafenen Ort, über den ganz plötzlich die Globalität hereingebrochen ist und dessen Bürger seitdem eine Menge über Menschenwürde gelernt haben.
Überall im Haus stapeln sich Brettspiele und Deutschbücher. Es gibt selbst gebastelte Uhren aus Pappe, damit alle lernen, was "Viertel" und "Dreiviertel" ist, eine Fußballfibel mit Fragen und Antworten ("Was ist Fritz-Walter-Wetter?"), sie gehört Danish aus Pakistan, passionierter Bayern-München-Fan, seitdem er in Deutschland lebt. "Mia san mia", ruft er in den Raum und verschwindet in seinem Zimmer, um sich standesgemäß sein Bayern-Trikot überzuwerfen. Die Fußballfibel hat ihm Melanie geschenkt, damit er Leidenschaft und Lernen gleich verbinden kann. Sie ist 17 und seit ein paar Wochen Mitglied des selbst ernannten Integrationsprojekts, das an diesem Tag mit insgesamt zwölf Männern und Frauen zu Nachhilfe und Körnchenkaffee in das Krautheimer Asylbewerberheim angerückt ist. Die Stimmung ist bestens, kommuniziert wird bislang vor allem mit Händen und Füßen.
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Ali Hassan
am 14.04.2017