So schnell ändern sich die Zeiten. Vor drei Jahren schrieb unser Praktikant über "Pinkwashing" von Unternehmen, sprich: Wie Firmen das Regenbogensymbol als Marketinginstrument nutzen, um auch in der queeren Community zu punkten. Nicht immer steht dahinter auch eine diverse Unternehmenspolitik, sprich: Förderung von queeren Menschen. Und heute? Heute sitzt in den USA ein Donald Trump, der Queere und deren Förderung aktiv bekämpft. Diese Einstellung schwappt bis zu uns: Der CSD Köln und der in Berlin melden den Rückzug von Sponsoren, vor allem US-amerikanischer Firmen. Genannt werden nur Ford und Mastercard, ansonsten hüllen sich die CSD-Verantwortlichen lieber in Schweigen, hoffen, vielleicht nächstes Jahr wieder ins Gespräch mit diesen Firmen zu kommen. Die kann man feige nennen oder vorsichtig oder prinzipienlos.
Nicht nur in der Wirtschaft macht sich Queerfeindlichkeit breit. Nachdem sich in den vergangenen Monaten Meldungen über Angriffe und Bedrohungen von CSD-Demos in der ganzen Republik häuften, zieht auch Miss Nestlé, also unsere Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, CDU, nach und verkündet, zum CSD in Berlin am 26. Juli keine Regenbogenfahne auf dem Reichstag hissen zu lassen. Sie setzt noch eins drauf und lässt ihren Verwaltungsdirektor die Teilnahme des Regenbogennetzwerks der Bundestagsverwaltung am CSD verbieten. Und wer macht mit in diesem Kulturkampf? Richtig, Friedrich Merz. Der CDU-Kanzler verteidigte die Klöcknersche Verfügung mit den Worten: "Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt." Das stimmt, Artistik und Spaß sind dort eher selten, Dressur allerdings lässt sich ab und zu beobachten. Mit einer solchen Äußerung jedenfalls beleidigt Merz nicht nur viele queere Menschen, sondern auch die Zirkuswelt.
"Wir sind ernst zu nehmen. Wir wünschen uns mehr Respekt", wird ein Sprecher des Zirkus' Charles Knie in vielen Zeitungen zitiert. Der Zirkus gastiert gerade in Bielefeld, über dem Zelt befestigte ein Hochseilartist nun die Regenbogenfahne, die mindestens bis zum CSD in Berlin am 26. Juli hängen soll.
Aus Stuttgart sind Beleidigungen à la Merz und Klöckner bisher nicht bekannt. Hier beginnen dieser Tage die CSD-Kulturwochen und die Stadt ist dabei. Nicht nur mit sechs großen Regenbogenflaggen am Rathaus – am 11. Juli lädt Oberbürgermeister Frank Nopper, CDU, auch zum CSD-Empfang und damit zur Eröffnung der Pride-Wochen, die mit der Demo am Samstag, 26. Juli ihr Ende und ihren Höhepunkt finden. Das Programm mit Vorträgen zu historischen und aktuellen Queer-Themen und allen Partys gibt's hier.
Auch auf dem Landtag wird am Demo-Tag die Regenbogenfahne flattern. Wer weiß, ob das im nächsten Jahr noch der Fall sein wird. Schließlich ist am 8. März Landtagswahl und die Wahrscheinlichkeit, dass die Grünen nochmal stärkste Kraft werden, aktuell eher gering. Sollte es der junge Mann von der CDU (Manuel Hagel) schaffen, Ministerpräsident zu werden, wird es spannend werden, ob er noch zu seinen Aussagen von 2018 steht, als er im Sommergespräch mit der "Stuttgarter Zeitung" erklärte, dass es "uns Christdemokraten und auch mir persönlich so wichtig" ist, "sich gegen Homophobie und damit gegen Menschenhass" einzusetzen. Das hätte er seinen Parteifreund:innen Klöckner und Merz vielleicht mal weitersagen sollen.
Fakten statt Fake News
Kontext-Redakteurin Gesa von Leesen ist am nächsten Mittwoch, 16. Juli, in Freiburg zu Gast bei Verdi und dem DGB. Gemeinsam mit Hans-Albert Stechl vom SWR-Verwaltungsrat und Bastian Bernhardt, Redakteur bei der "Badischen Zeitung", diskutiert sie über "Glaubwürdige Medien für unsere Region". Die öffentliche Veranstaltung beginnt um 18 Uhr im Gewerkschaftshaus in Freiburg.
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Philippe Ressing
vor 8 Stunden