Das ging schnell: Erst wenige Tage im Amt, da verbietet der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt bereits die erste Vereinigung. Der CSUler, der 2019 als TV-Gast im Talk mit Günther Jauch anregte, ein Verbot der Linkspartei zu prüfen, hatte kurz nach der geheimdienstlichen Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem vor knapp zwei Wochen noch erklärt, man müsse den braunen Haufen "wegregieren" und nicht "wegverbieten". Insofern erleichtert durchaus, dass sein erster öffentlichkeitswirksamer Amtsakt als Minister nicht die Letzte Generation, die Omas gegen rechts oder sonst eine zivilgesellschaftliche Gruppe trifft, die im abstrusen Kultur- und Wahlkampf der Union zum linksgrünen Feindbild erklärt wurde. Nein, das Verbot trifft die Reichsbürger vom "Königreich Deutschland", die tatsächlich eine Gefahr darstellen. So verbreiteten die Anhänger nach Angaben des Innenministeriums, dass die staatlichen Institutionen Deutschlands wahlweise "satanisch unterwandert" oder "von jüdischen Clans" gelenkt seien. Insofern ist das Verbot also durchaus eine gute Nachricht. Die schlechte: Der wirtschaftskriminelle Gegenstaat namens "Bayern" bleibt vorerst legal. (Transparenzhinweis: Diesen Witz haben wir vom Satiremagazin "Titanic" geklaut.)
Um dem neuen Innenminister aber kein Unrecht anzutun: Das Verbot wurde nicht unter Dobrindt, sondern unter seiner sozialdemokratischen Vorgängerin Nancy Faeser vorbereitet. Bei den unmittelbar auf das Verbot folgenden Razzien in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden am vergangenen Dienstag zwar laut Innenministerium "keine relevanten Waffen" sichergestellt. Teile der Reichsbürgerszene haben sich jedoch als militant entpuppt, bis hin zum Rechtsterrorismus. So läuft aktuell ein Verfahren gegen den im Dezember 2022 festgenommen Heinrich XIII. Prinz Reuß, der laut Staatsanwaltschaft auf einen bewaffneten Umsturz und die Ermordung zahlreicher Menschen hingearbeitet haben soll. Dabei sind auch Kontakte zur AfD bekannt geworden, die gerne als nächstes verboten werden darf.
Kontext-Autor Gunter Haug auf dem Podium
Den ersten Artikel zum Thema haben wir im September 2024 veröffentlicht, Titel: "Verseucht in alle Ewigkeit". Damals berichtete Gunter Haug: "Sie sind in Fleisch, Böden oder Muttermilch nachweisbar: PFAS. Industriechemikalien, die, einmal in der Umwelt, nicht mehr rausgefiltert werden können. Die Firma Solvay in Bad Wimpfen leitet jeden Tag 24 Kilo eines PFAS-Stoffs in den Neckar, der schon in Tröpfchenmengen hochgiftig ist. Genehmigt bis 2044." Es geht um TFA, ausgeschrieben Trifluoressigsäure, einen Stoff, der auch über Pestizide in den Boden gelangt und erst kürzlich in Wein nachgewiesen wurde. Kontext-Autor Haug hat sich tief in die Materie der Ewigkeitschemikalien eingearbeitet, die Geschichte um die Firma Solvay lässt ihn nicht los, ebensowenig die Empörung über einen so handfesten Gesundheitsskandal – in Baden-Württemberg. Immer wieder haben wir Updates veröffentlicht über die Kontamination von Grundwasser, die schneckenlangsamen Behörden, eine Politik des Wegsehens, die Solvay-Fabrik in Frankreich, die einen Teil der TFA-Produktion aus Bad Wimpfen übernommen hatte und erst kürzlich geschlossen wurde. Umweltschützer:innen hatten im Umfeld der Fabrik massive TFA-Verseuchung in Flüssen und im Leitungswasser nachgewiesen.
Jetzt nehmen sich die grünen Kreistagsfraktionen Rhein-Neckar, Neckar-Odenwald und Heilbronn der Sache an. Am kommenden Freitag, 16. Mai um 18 Uhr wird im Evangelischen Gemeindehaus, Leopoldsplatz 3, in Eberbach unter dem Titel "Dirty Deal mit unserer Gesundheit und Natur – PFAS-Skandal" über TFA, PFAS, Solvay und die Kontext-Recherchen diskutiert. Unser Autor Gunter Haug sitzt auf dem Podium, mit ihm der grüne Umweltstaatssekretär Andre Baumann.
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