Es ist die Chronik eines Skandals: 1.500 Orte in Deutschland sind vom "Ewigkeitsgift" PFAS kontaminiert. Gift im Boden, Gift im Wasser, Gift in der Luft. Und weltweit sieht es nicht besser aus – eher im Gegenteil. Was war das doch für eine gewaltige Aufregung, als vor anderthalb Jahren diese Meldung von der PFAS-Verseuchung aufgeploppt ist, Medien berichteten 2023 reihenweise! Praktisch über Nacht fühlten wir uns von hochtoxischen, krebserzeugenden Stoffen überfallen, gegen die nicht das geringste Kraut gewachsen ist.
PFAS, das ist (grob gesagt) der Oberbegriff für synthetische Fluorverbindungen, von denen es weltweit nach Schätzungen mindestens 5.000 verschiedene chemische Verbindungen gibt. Verwendet werden sie sowohl bei der Oberflächenveredlung von Bratpfannen als auch bei wasserfesten Textilien, Imprägniermitteln, Farben, Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln, in Klimaanlagen, Computerchips und und und. Mit anderen Worten: PFAS sind überall – und wir werden sie auch nicht mehr los, denn es handelt sich um sogenannte Ewigkeitschemikalien. Sie bauen sich nicht mehr ab, wenn sie erst einmal in die Umwelt gelangt sind.
Im September 2024 scheint das keine Menschenseele mehr zu jucken. Genauso rasch, wie der Schrecken über uns gekommen ist, haben wir die Sache wieder vergessen. Nun gut, da gab es jetzt diese klitzekleine Meldung (die es noch nicht einmal in alle Medien geschafft hat), dass die Niederlande Deutschland vorwerfen, zu große Mengen dieser Chemikalien, die im Verdacht stehen krebserregend zu sein, in den Rhein zu leiten. Aus dem Rhein gewinnt Holland zum Teil Trinkwasser. Die (grüne) Bundesumweltministerin Steffi Lemke sei aufgefordert, endlich konkrete Grenzwerte für die Einleitung von PFAS-Verbindungen festzulegen. Wie bitte?! Da gibt es eine offenbar hochgefährliche chemische Stoffgruppe im Wasser, aber keinen verbindlichen Grenzwert dafür? Und dennoch regt sich niemand (bis auf die paar Holländer) darüber auf? Das kann doch nicht wahr sein.
Ein Doktorand fand das Gift im Trinkwasser
Des Rätsels Lösung findet sich in der verzwickten Chemie dieser Sache. Denn wie erwähnt, gibt es tausende PFAS-Verbindungen, aber nicht alle sind toxisch. Und je nachdem, mit welchen anderen Stoffen sie in Kontakt kommen, ändert sich die Chose ein weiteres Mal. Wie soll man da durchsteigen, wenn man nicht Chemie studiert hat? Und vor allem: Wie sind die seitenlangen Abwiegelungs-Pressemitteilungen einzuschätzen, die von den einschlägigen Herstellern und ihren Lobbyverbänden über die Presselandschaft gestreut werden? Sich das alles zu erschließen, ist ziemlich mühsam und zeitaufwendig und – gewaltig schockierend.
Wir schreiben das Jahr 2016, als ein Doktorand im Karlsruher Technologiezentrum Wasser (TZW) interessehalber das Wasser des Neckars in seiner Heimatgemeinde Edingen-Neckarhausen im Rhein-Neckarkreis untersuchte. Denn aus dem Uferfiltrat des Neckars gewinnt die Gemeinde ihr Trinkwasser. Das Resultat schlug ein wie eine Bombe. Zunächst hielt man es für einen Messfehler, doch sämtliche Nachmessungen bestätigten das schockierende Ergebnis: über 20 Mikrogramm pro Liter der PFAS-Chemikalie Trifluoracetat (TFA) im Trinkwasser – und das bei einem Grenzwert von drei Mikrogramm pro Liter.
4 Kommentare verfügbar
Ludwig G.
vor 3 Wocheninsbesondere wie Sie es schreiben >kapitalistischen Gesellschaft ALLES seinen Preis hat< hat im Kapitalismus alles seinen Preis, auch ein Schaden. Schauen sie doch nur die Schadenssummen in so manchen kapitalistischen Ländern wie den USA an, da überlegt man es sich…