Halbzeit! Seit vier Jahren lenkt Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) mit der Verve und dem Charme eines Jahrmarktansagers die Geschicke Stuttgarts, nun dürfen wir uns also auf noch einmal vier Jahre freuen. Selbstverständlich wird dieses epochale – und hoffentlich einmalige – Ereignis genutzt, um eine Halbzeitbilanz zu ziehen. Und zwar in einem Interview im Amtsblatt. Demnach ist der OB ganz zufrieden mit sich. Kritisch nachgehakt wird, wenig überraschend, nicht – wer sollte das auch tun, wenn er/sie den eigenen Dienstherren befragen muss. Benannt wird der arme Mensch, der hier Fragen gestellt hat, gnädigerweise nicht. Aber vielleicht hat der OB sie sich auch selbst gestellt, oder die Pressestelle hat nicht nur die Fragen, sondern auch die Antworten aufgeschrieben.
Nopper ist überzeugt: "Stuttgart ist auf einem guten Weg." Und führt zum Beweis neue Wohnungen an, den Marktplatz, die Freitreppe am Stadtpalais, Digitalisierung (ein "Siebenmeilenschritt" in der Verwaltung), gefühlte Sicherheit – alles besser geworden. Wie großartig Stuttgart ist, würde leider meist vor allem von Gästen bemerkt, in der Stadt selbst sei die Stimmung oft schlechter als die Lage, bedauert der OB. Dabei könne jede und jeder es besser wissen: Beim Städteranking der "Wirtschaftswoche", unterstreicht Nopper die Bedeutung der Spätzle- und Feinstaub-Metropole, "haben wir Ende 2024 die Silbermedaille errungen". Einziger Wermutstropfen: "Nur unser Erzrivale München konnte sich noch vor Stuttgart platzieren."
Aber bestimmt ist er schon dran, das zu ändern. Vielleicht mit einem noch größeren Riesenrad oder einer Kopie des Viktualienmarktes oder einem fantastischen riesigen Hofbräuhaus oder einer noch größeren Bavaria – äh, pardon, falsches Bundesland. Aber egal, der Möglichkeiten sind viele. Und Nopper wird's rocken, schließlich ist er laut unserem Kolumnisten Cornelius W.M. Oettle ein "political animal" – jedenfalls im Vergleich zu Friedrich Merz, dessen politische Führungserfahrung eher so im unteren Mittel liegt.
Verstehen dürften die beiden sich dennoch, stehen sie doch eher für Verbrennerautos als für Umwelt- und Klimaschutz. Und weil es der Autoindustrie (nicht nur) in der Autostadt Stuttgart gerade nicht so bombig geht, hat Nopper gemeinsam mit 14 Amtskollegen anderer Autostädte einen Brief an die EU geschrieben. Der Inhalt: Die EU-Kommission soll endlich mehr für diese Industrie tun: Verbrenner-Aus absagen, Strafzahlungen für die Autoindustrie streichen und verlässliche Förderkulissen einrichten. Vieles davon ist eh auf dem Weg, schließlich ist die Kommission nach der Wahl im vorigen Jahr nach rechts gerückt. Und ähnliches haben bereits zig andere EU-Länder inklusive Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) gefordert.
Hauptsache, nicht so viel Umwelt- und Klimaschutz, der behindert nur die Geldverdieninteressen der Wirtschaft. Sagen jedenfalls deren Lobbyist:innen, wie unsere Autorin Johanna Henkel-Waidhofer beobachtet hat. Und das, obwohl laut Experte:innen doch derart klar ist, dass eine weitere Klimaerwärmung zum Kollaps führt.
Der Kollege Jörg Nauke von den "Stuttgarter Zeitungsnachrichten" hat übrigens die Halbzeitbilanz des OB bereits gewürdigt. Man habe ja gewusst, "dass man keinen Anschieber bekommt, der in langen Linien denkt", schreibt er. Gewählt hätten ihn halt diejenigen, die Bürgernähe und Autofahren wichtig finden. Na, dann freuen wir uns doch auf die nächsten vier Jahre Wettbewerb mit München.
3 Kommentare verfügbar
Anita Storrpe
am 14.02.2025Der BUND möge den anderen therapeutisch weiter beschäftigen.