KONTEXT:Wochenzeitung
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Halsbrecherische Geschwindigkeiten

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Gerade ist Anna Hunger für Kontext in Berlin gewesen, um taz-Chefin Ulrike Winkelmann zu treffen, und was war? Die U2 gesperrt. Schienenersatzverkehr. Das macht gleich ein heimeliges Gefühl, denn auch in Stuttgart ist der S-Bahn-Verkehr aktuell stark eingeschränkt. Völlig ungewohnt hingegen das verfrühte (!) Ankommen MIT DEM ZUG, sowohl auf der Hin- als auch der Rückfahrt. Danke, Flixtrain. Am Hauptbahnhof Stuttgart dann für die letzten Kilometer Richtung Zuhause umgestiegen in einen uralten Regionalzug der DB. "Als dieser Zug modern war, war ich zehn", sagt ein älterer Mitreisender. Mit schlanken zehn Minuten Verspätung rollte das museale Gefährt aus dem Bahnhof.

Seit Montag ist nun die S-Bahn-Stammstrecke zwischen Stuttgarter Hauptbahnhof und Böblingen gesperrt. Streckensanierung. Bis September. Für die Kollegin bedeuten das: S-Bahn bis Vaihingen, U-Bahn bis Marienplatz, laufen/Bus bis Arbeitsplatz, oder eben: Schienenersatzverkehr – SEV. Los ging es perfekt getimet am 29. Juli, also zeitgleich mit dem Christopher Street Day, sodass der Schienenersatzverkehr leider nicht in die für Straßenverkehr gesperrte Innenstadt kam.

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Im Januar haben wir einen Text veröffentlicht über die kaputte Klingel eines Info-Häuschens der DB an der S-Bahn-Haltestelle Hauptbahnhof (hier). Die Sprechanlage war zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren kaputt, ein Bahn-Sprecher teilte mit, der Austausch sei so unfassbar kompliziert, dass keine Firma dafür zu finden sei. Jetzt, ein halbes Jahr später, twitterte die S-Bahn Stuttgart: "Was lange währt, wird endlich gut @KontextWZ Sprechstellen an den S-Bahnstationen sind erneuert. Fast wäre deshalb die #Stammstrecke gesperrt worden." Das Ganze ziert ein Tränen lachendes Smiley. Wir jedenfalls freuen uns, dass sich doch noch jemand gefunden hat, der die Herausforderung annehmen wollte.

Deutlich länger wird die Deutsche Bahn auf das endgültige Urteil zu ihrer Klage gegen die Stuttgart-21-Projektpartner Land & Co. warten müssen, die sie zu einer anteiligen Übernahme der Mehrkosten verdonnern will: "Eine rechtskräftige Entscheidung haben Sie vielleicht in fünf Jahren", sagte Wolfgang Kern, Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart, am gestrigen Dienstag zu Bahn-Anwalt Ulrich Quack. Um dann gleich, wohl in Sorge um die deprimierende Wirkung, "oder in drei" hinzuzufügen. Denn für Kern ist schon jetzt klar, dass der Streit über mehrere Instanzen gehen wird. Es war der zweite Verhandlungstag der Klage, knapp drei Monate nach dem ersten (Kontext berichtete), und zu den schon in der ersten Sitzung stark auseinanderliegenden Meinungen, wie denn die berühmte "Sprechklausel" im Finanzierungsvertrag von 2009 zu interpretieren sei, konnte auch jetzt keine befriedigende Klärung gefunden werden. Dafür gab es lustige neue Begriffe zu lernen. Dass etwa die Bahn die Kostensteigerungsrunden des Projekts "Kaskaden" nennt und nun in einen ihrer unzähligen Anträge eine "Kaskadenfortschreibung" eingefügt hat, auf nunmehr 11,776 Milliarden Euro. Wie bitte? Die Summe soll selbstverständlich nur ein "abstraktes Kostensteigerungsrisiko" abbilden und hat nichts mit den realen Kosten zu tun, stellte Anwalt Quack klar. Logo. Noch mehr Hirnknoten gibt's in einem ausführlichen Bericht in der nächsten Kontext-Ausgabe.


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1 Kommentar verfügbar

  • ExilSchwäbin
    am 02.08.2023
    Antworten
    Kleine Korrektur und ein herzliches Dankeschön.

    Liebe Redaktion,
    nicht die U2 in Berlin hat Streckensperrungen und Schienenersatzverkehr. (Die U2 hat Pendelverkehr und umfährt so den durch eine Hochhausbaustelle am Alex abgesenkten U-Bahnhof...)

    Nein, es ist die U3, die in beklagenswerter…
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