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Mick Jagger am Pissoir

Mick Jagger am Pissoir
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XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXX XXXXXXXXXX XXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX. Und während die "Bild"-Zeitung große Geschichten über die "starke Frau" Renner bringt, die ihrem armen Gatten im Prozess wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung den Rücken gestärkt hat, nimmt sich Kontext-Kolumnistin Elena Wolf lieber noch einmal die verschachtelten Jämmerlichkeiten dieser Affäre vor. Eine muss es ja tun.

Und ja, dass eine Partei namens CDU andauernd von einer "Brandmauer gegen rechts" spricht, ihr Chef Friedrich Merz immer wieder bekundet, dass es nie zu einer Zusammenarbeit mit der AfD kommen wird, dann aber irgendwann doch davon spricht, dass man auch mit gewählten AfDlern nach Wegen suchen muss, Kommunalpolitik zu gestalten, und der das schließlich, als sich auch in der eigenen Partei Protest regt, ganz anders gemeint haben will als er es gesagt hat, das kannst du dir auch kaum … Wobei, das ist vielleicht doch nicht ganz so erstaunlich.

Denn am Ende des Tages ist ja entscheidend, was hinten rauskommt, zumal dann, wenn auf dem Bahnhof der Geschichte der Anschlusszug verpasst wurde, weil durch ein Loch in der Brandmauer gegen rechts – und niemand hat die Absicht, diese einzureißen – mal wieder ein paar Menschen auf die Gleise gelaufen sind, die vermutlich nur nach Wegen gesucht haben, wie man gemeinsam das Land gestaltet. Oder so ähnlich. CDU-Mitglieder werden es verstehen.

Den Anschlusszug verpasst in Richtung eines angemessenen Umgangs mit Migrant:innen und deren Nachkommen hat die deutsche Politik leider schon ziemlich oft. Das zeigen im Kleinen Erfahrungsberichte von der Stuttgarter Ausländerbehörde, wo eben nicht nur Personal fehlt. Die großen Linien der Versäumnisse und des stattdessen Wünschenswerten zeichnet die Heidelberger Migrationsforscherin Havva Engin nach. Die auch die Brüchigkeit von Klischees nachweist: In Heidelberg ist das Bildungsniveau der Zugewanderten höher als das der Einheimischen.

Wo wir schon bei Klischees sind: Knapp 50 Kilometer südlich von Heidelberg liegt Karlsruhe, dem im Gegensatz zu den militant-pietistischen Kehrwochen-Schwaben ja gerne eine größere Lockerheit unterstellt wird. Und als wolle er demonstrieren, den Anschlusszug zu einer liberaleren Gesellschaft nicht verpasst zu haben, hat der Karlsruher Gemeinderat, beziehungsweise dessen Bäderausschuss, am vergangenen Freitag nach wochenlanger Diskussion einen so wegweisenden wie salomonischen Beschluss gefällt: Nach einer hitzigen Debatte ist das Oben-ohne-Schwimmen in Freibädern künftig auch Frauen erlaubt. In Hallenbädern muss die weibliche Brust allerdings weiterhin verhüllt bleiben (nur AfD und CDU waren gegen den Kompromiss. Danke, Merz).

Sich zumindest nie auf der Bühne untenrum freigemacht, im Gegensatz zum alten Schweinigel Iggy Pop, hat unseres Wissens Mick Jagger. Auch wenn sich der Rolling-Stones-Sänger an allen möglichen anderen Orten dauernd die Kleider vom Leib gerissen haben soll, wie auch seinen unzähligen Gespiel:innen (bewusst gegendert, liebe AfD). Jagger wird am heutigen Mittwoch 80, und er hat vermutlich wenig verpasst in seinem Leben, schon gar keinen Anschlusszug (wg. Private Jet), höchstens vielleicht den richtigen Zeitpunkt, von der Bühne abzutreten. Nicht genug Satisfaction zu bekommen, dürfte mittlerweile kein Thema mehr sein, zur Anbahnung von Intimitäten brauchte er keine Dickpics, ein "Let's spend the Night together" reichte, wenn sich auch in der frühen musikalischen Vita Beispiele dysfunktionaler Beziehungsstrukturen finden ("Under my Thumb"). Daher auch vonseiten der Redaktion ein Happy Birthday, alte Schlauchbootlippe, und als kleine Hommage ein Song der ganz und gar großartigen Stuttgarter Minimal-Punk-Rock-Irgendwas-Band Rocket Freudental, der einfach heißt: "Mick Jagger". "Ich bin der Mick Jagger in diesem Hühnerstall", lautet darin eine Zeile. Im Hinblick auf Ex-IdP Randy Andy Renner sei ergänzt: besser im Hühnerstall als am Pissoir.
 

Auf Beschluss des Landgerichts Hamburg wurden uns per einstweiliger Verfügung Inhalte dieses Textes untersagt.


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3 Kommentare verfügbar

  • bedellus
    am 27.07.2023
    Antworten
    You can't always get, what you want.
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