Wie viel ist ein Menschenleben wert? Wenn es sich um einen Afghanen handelt, hält der deutsche Staat 5.000 Euro für angemessen. Der Fall stelle eine Zäsur da, schreibt Emran Feroz, Journalist aus Stuttgart und jüngst als Experte in den "Tagesthemen", über das Kunduz-Bombardement von 2009. Eine magere, regelrecht höhnische Entschädigung erhielten Hinterbliebene der 150 zivilen Opfer, die damals getötet wurden – ohne rechtliche Konsequenzen. Stattdessen wurde Oberst Klein, der das Massaker angeordnet hatte, zum General befördert. Zuvor, betont Feroz, seien deutsche Truppen in Afghanistan als Menschen wahrgenommen worden, die tatsächlich helfen wollten. Nachdem ein Kriegsverbrecher ohne Konsequenzen Karriere machen konnte, habe sich dieses Bild gewandelt, bilanziert er in seinem neuen Buch, aus dem Kontext ein Kapitel vorab veröffentlicht.
Bereits 2017 beleuchtete Feroz mit investigativen Recherchen das wahre Ausmaß der zivilen Toten durch Drohnenangriffe – und schon damals beschrieb er, wie sich Hinterbliebene unschuldiger Opfer häufig radikalisieren und den Taliban anschließen würden. Ob westliche Kräfte nach dem Umsturz in Afghanistan einen Eigenanteil an den katastrophalen Zuständen anerkennen werden? Eher, schreibt Feroz in seinem Kommentar für Kontext, würden die Folgen der fehlgeschlagenen Intervention allein auf die Afghanen abgewälzt, nach dem Motto: "Die sind eben so. Das ist nicht unsere Schuld."
Mit Vorurteilen hat der Österreicher Feroz schon lange zu kämpfen. Nicht nur, wenn er für einen Fototermin vor der US-amerikanischen Kommandozentrale Africom steht und sich der Sicherheitsdienst wundert, was ein bärtiger Araber da zu suchen hat. Bereits seit der Kindheit kennt er Diskriminierung, weil er Verwandte im Ausland hat. Etwa als ihn die Grundschullehrerin nach den Terroranschlägen vom 11. September – an dem gar keine Afghanen beteiligt waren – ausgefragt hat: "Weißt du, warum die das gemacht haben?"
Die Vorbehalte gegen Fremde aus dem Orient sind 20 Jahre später nicht verschwunden. So musste Kanzlerkandidat Armin Laschet in seiner Reaktion auf den Putsch einer Terrorbande hervorheben, dass sich "2015 nicht wiederholen" dürfe, ergo: dass die Flüchtlinge gefälligst daheim bleiben sollen. Und in Springers "Welt am Sonntag", einer als Presseerzeugnis verkleideten Drecksschleuder, betont der werte Herr Chefredakteur, dass den Afghanen, "ob gerecht oder ungerecht", ein Ruf als Sexualstraftäter vorauseile. Hetze statt Hilfe – manchmal ist die Wirklichkeit zum Heulen.
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