Irgendwann brauchen wir mal einen Sitzredakteur. Den gab es in der Kaiserzeit, und der setzte sich stellvertretend für die Redaktion ins Kittchen, falls die Obrigkeit womöglich Straftatbestände wie "Groben Unfug" oder "Majestätsbeleidigung" in Zeitungen entdeckt haben wollte. Passierte dauernd, weil Wilhelm II. arg allergisch auf Satire und Kritik reagierte und es mit der Pressefreiheit nicht so genau nahm. Zwar beleidigen wir von Kontext selten Majestäten, dafür schauen wir gerne genau hin, wie etwa auf einen möglichen Me-Too-Fall beim SWR. Das gefällt dessen ehemaligem Chefjustiziar Hermann Eicher gar nicht, weshalb der jetzt per prominenter Kanzlei (auch Mandant: "Wir sind Papst" Benedikt) gegen den Inhalt eines Kontext-Podcasts vorgeht und möchte, dass wir diverse Aussagen unterlassen. Nein, machen wir nicht. Warum, das hat Josef-Otto Freudenreich hier aufgeschrieben.
Übrigens gab es Sitzredakteure nur in männlich, soweit bekannt. Sonst hätten wir selbstredend vom "Gender-Wahn" Gebrauch gemacht, wie es die Landtagsabgeordnete Carola Wolle (AfD) ausdrückt. Deren Mitarbeiter wurde vor ein paar Tagen wegen umfassender parlamentarischer Blödheit vor allem von Grünen und CDU zum stellvertretenden Mitglied am Verfassungsgerichtshof gewählt. "How dare you", möchte man da mit Greta fragen. Wie könnt ihr es wagen?!
"How dare you" übrigens auch in Afghanistan. Jahrelang haben treue Helfer und Verbündete die Bundeswehr in Afghanistan unterstützt, nun werden sie ihrem Schicksal überlassen, während die Bundeswehr sogar Bier ausfliegen lässt? Wäre ja furchtbar, wenn so ein Hefeweizen von Taliban gefoltert und ermordet würde. Was sich hier so locker hinschreibt und wegliest, kann für Mohammad Zahed den Tod bedeuten. Er sei nirgends sicher, sagt der Techniker. Unser Autor Emran Feroz war mit ihm in Afghanistan unterwegs. Zaheds Schwägerin lebt in Stuttgart und sagt: "Ich verstehe nicht, warum das so kompliziert ist. Sein Leben ist in Gefahr, doch scheinbar will ihm niemand helfen."
Kriege, wie der in Afghanistan, sind von Menschen gemachte Katastrophen. Aber was ist mit Naturkatastrophen? Die brächen über die Menschen herein wie ein Schicksalsschlag, meinte zumindest NRW-Innenminister Herbert Reul angesichts der massiven Flut in Westdeutschland. Ein fatales Klischee, schreibt unser Autor Rainer Lang, der sich seit 20 Jahren in der internationalen Katastrophenhilfe engagiert. "Nahezu alle Naturkatastrophen, bei denen ich in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Einsatz war, waren menschengemacht. Und vorhersehbar waren sie im Grunde auch", schreibt er.
DKP kann zur Bundestagswahl antreten
Vielen Linken wird es so gehen wie Hannes Rockenbauch: Sie haben mit der Deutschen Kommunistischen Partei nichts am Hut, aber tot sein muss sie auch nicht. Also sprach der rote Stadtrat am vergangenen Donnerstag auf dem Stuttgarter Schlossplatz, er habe nicht vor, die DKP zu wählen, sei aber dafür, dass sie lebe, weil es nie genug kritische Stimmen gegen den Kapitalismus gebe. Das konnte auch Cuno Hägele, der Stuttgarter Verdi-Sekretär, unterschreiben. Ihm war wichtig, dass die kleine Truppe als Teil der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung erhalten bleibt und nicht durch ein "kaltes Parteiverbot" von Staats wegen erledigt wird.
Das wäre denkbar gewesen, wenn der Bundeswahlausschuss recht bekommen hätte. Er hat am 8. Juli beschlossen, die DKP nicht zur Bundestagswahl zuzulassen, weil (wieder einmal) Rechenschaftsberichte fehlten. Dafür stimmte auch eine Abgeordnete der Linken. Mag sein, dass Constanze Portner nur die Schlamperei auf die Nerven ging, aber international solidarisch ist das nicht. Jedenfalls wurde das auf der Kundgebung ("DKP wählbar machen") schwer gegeißelt, unter anderem von der Tübinger Linken-Abgeordneten Heike Hänsel. Sie war per Grußwort präsent und ist wie etliche andere hier zu lesen.
Am gestrigen Dienstag kam nun die Nachricht, dass das Bundesverfassungsgericht den Berliner Beschluss gekippt hat. Das sei ein "Ergebnis der internationalen Solidarität" gewesen, teilt der Parteivorstand mit.
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