Es gibt Tage, da braucht es einen extra Hinweis auf dem Smartphone-Wecker, damit das Aufstehen nicht zu furchtbar wird. So geschehen vergangenen Samstag bei unserer Redakteurin Anna Hunger. Der Wecker stand auf 6 Uhr 15, der Hinweis war: "Tag des Grauens!", versehen mit einem lächelnden Smiley, um nicht auf der Stelle sofort wieder die Decke über den Kopf zu ziehen und ins Land der Träume zurückzugleiten.
Der Tag: 8 Uhr 30 Treffen vor der Böblinger Kongresshalle zum AfD-Parteitag. Kurz zur Immunisierung den bunten Gegenprotest eingeatmet (Regenbogen-Kuchen, knackige Reden, Stricken gegen rechts), dann rein in die blaubraune Welt der Zukunftsverweigerer und Rechtsextremen. Mittags kurz beim "Demo-für-Alle"-Kongress (militante Abtreibungsgegner inklusive AfD-Personal in Zusammenspiel mit Evangelikalen) vorbeigucken, zumindest vor der Tür, denn Presse ist bei dieser Klientel nicht so gern gesehen. Praktischerweise tagen die selbsternannten "Lebensschützer" auch in Böblingen, in der Legendenhalle des V8-Hotels am Flugfeld. Die dazwischenliegende Fußgängerzone hatte der Gegenprotest dankenswerterweise mit Anti-Nazi-Flyern beklebt, zur Aufheiterung sozusagen.
Dann wieder zurück zur AfD. Dort wird am Nachmittag Alice Weidel zur neuen Landesvorsitzenden gewählt. Die Frontfrau also, die gar nicht wirklich gemäßigt ist, auch wenn sie manchmal so beschrieben wird, und die 2018 im Bundestag gesagt hat: "Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern." Offener, mit ökonomischen Argumenten kaum verbrämter Rassismus gegen Muslime. Einen Tag vor Weidels Wahl hat die Polizei bei Razzien in sechs Bundesländern zwölf Rechtsextreme festgenommen, die offenbar Anschläge auf Moscheen planten, Vorbild: der Anschlag im neuseeländischen Christchurch. Um "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.
Am Nachmittag dann ab nach Bobstadt im Main-Tauber-Kreis zum Black-Metal-Konzert von Vize-Ortsvorsteher Heiko Gubelius. Wir hatten im Vorfeld berichtet, dass auf dem sowieso umstrittenen Konzert in diesem Jahr ein NPD-Sympathisant auftritt. Gubelius hatte daraufhin unsere Redakteurin zum Musik-Event ins Vereinsheim der örtlichen Fußballer eingeladen, um zu zeigen, dass sein Konzert mit rechtsradikalem Gedankengut aber mal überhaupt nichts am Hut hätte. Ende vom Lied: einige nette Leute von weiter weg, brachiale Musik zwischen Wimpeln und Mannschaftsfotos, vergossenes Schweineblut in der Umkleide und geschätzt 70 Gäste – darunter mehrere Neonazis wie aus dem Bilderbuch. Unsere Redakteurin solle "sich verpissen", legte einer davon ihr nahe, und wo wir schon beim Nahelegen sind: Hier nochmal der Vorbericht zum Konzert. Wir bleiben dran.
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