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Laschet bei Südwestmetall

Der neue Houdini

Laschet bei Südwestmetall: Der neue Houdini
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Armin Laschet lacht im Elend und die Republik fragt sich, ob er als Kanzler geeignet wäre. Nach seinem Besuch beim Arbeitgeberverband Südwestmetall dürften zumindest die Gastgeber überzeugt sein.

Der CDU-Kanzlerkandidat ist ein Freund der Wirtschaft. Er schützt seine Möbelhäuser in Nordrhein-Westfalen, die Braunkohle und die Besserverdienenden. Das ließ sich auch vorige Woche in Stuttgart besichtigen, wo ihm der Chef des Verbandes Gesamtmetall Stefan Wolf und Südwestmetaller Wilfried Porth mit Wohlwollen lauschten. Dass ihnen Friedrich Merz lieber gewesen wäre – Schnee von gestern.

Das Ritual kennen sie alle: Der Arbeitgeberverband fordert von der Politik Unterstützung ohne Einmischung, die CDU verspricht staatliche Unterstützung und wenig Einmischung. Laschet hat nur einen neuen Begriff, sein Zaubertrick heißt "Entfesselungspakete". Ein neuer Houdini.

Immerhin: Die Industrie hat akzeptiert, dass sie wegen der Klimakrise schneller sein muss mit der Transformation. Sagt jedenfalls der SWM-Vorsitzende Wilfried Porth, der im Brotberuf Daimler-Personalvorstand und beim VfB gerade als Aufsichtsrat zurückgetreten ist. Er geht sogar so weit zu sagen, falls Deutschland Vorreiter werde in puncto nachhaltigen Wirtschaftens, sei den globalen Klimazielen gedient – dann müssten "uns" das alle anderen nachmachen. Was natürlich auch der Wettbewerbsfähigkeit dient, aber das nur am Rande. Allerdings, so schränkt Porth ein, müssten viele Unternehmen ihre Produktion noch umstellen und deshalb brauchen "wir" umfassende Entlastungen. Ach ja: Seit der Agenda 2010, von Kanzler Schröder 2003 verkündet, habe die Politik das Sozialwesen dauernd ausgebaut, befindet Porth, das dürfe so nicht weitergehen. Die Bundesregierung müsse die Sozialabgaben weiterhin bei 40 Prozent deckeln, sie solle die Wirtschaft "fördern, statt immer nur zu fordern". Eine Losung, über die sich Hartz-IV-EmpfängerInnen sicherlich freuen werden.

Laschet hört das wohl, verspricht dem Arbeitgeberverband, dass es mit ihm keine Steuererhöhungen für Unternehmen geben werde, weil dann kein Wirtschaftswachstum eintritt und so weiter. Dieses Wachstum will der 60-Jährige mit "Entfesselungspaketen" erreichen, welche Betriebe, egal ob Industrie oder Agrar oder sonst was, von Bürokratie entlasten und die Behörden dazu zwingen werden, schneller alles Mögliche zu genehmigen. Auch schnellere Bahnstrecken. Davon gebe es nämlich zu wenig, hat der CDU-Parteivorsitzende festgestellt.

Aber dann überrascht er doch noch mit etwas Neuem: mit einer bisher unbekannten "Spaltung der Gesellschaft". Einerseits Menschen, die Homeoffice unter Corona gut finden, weil das ihrer Ansicht nach das Leben "entschleunigt". Laschet weiß auch, wer das so sieht: Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Die mit den sicheren Arbeitsplätzen. Die andere Seite aber, das seien Menschen, die bei Messebauern oder in der Gastronomie arbeiteten. Die hätte das als Bedrohung empfunden. Das Homeoffice? Vielleicht doch eher die Coronamaßnahmen, die Laschet mal mittrug, mal nicht, dann wieder doch.

Was bleibt hängen? Laschet wird kein Recht auf Homeoffice einführen (Forderung von SWM), verspricht "Entfesselung" (will SWM auch) und Entlastung von Betrieben (will SWM auch). Und die geneigte Zuhörerin fragt sich eine gute halbe Stunde lang: Wer hat dieses Land eigentlich in den vergangenen 16 Jahren regiert?


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1 Kommentar verfügbar

  • opaunke
    am 23.07.2021
    Antworten
    Zunächst: "Der CDU-Kanzlerkandidat ist ein Freund der Wirtschaft."

    Welcher Kandidat, welche Kandidatin ist das nicht? Das ist eine Grundvoraussetzung in diesem Land, ohne ein irrational-leidenschaftliches Bekenntnis zu Wirtschaft und beständigem, absurdem Wachstum (und ebenso natürlich zur Nato)…
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